Impfstart in den Hausarztpraxen: Auch Ärz­t*in­nen sind impfmüde

Ab Montag gibt es den neuen Impfstoff, Risikogruppen sollen sich gegen Corona boostern lassen. Doch viele Praxen impfen wohl erst einmal nicht mit.

Eine Spritze mit Corona-Impfstoff wird vorbereitet

Kleine Flasche, großer Aufwand? Die Haus­ärz­t*in­nen beschweren sich Foto: Lino Mirgeler/dpa

berlin taz | Ab Montag können Hausarztpraxen in Deutschland mit dem neuen, angepassten Corona-Impfstoff impfen. Doch während das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit Millionen Impfwilligen rechnet, könnte die neue Impfwelle schleppend anlaufen – denn viele Haus­ärz­t*in­nen haben offenbar gar nicht vor, den neuen Impfstoff zu bestellen.

Das neue Vakzin von Biontech ist an die Omikron-Sublinie XBB.1.5 angepasst, soll laut Experten aber auch gegen andere kursierende Varianten wirken – etwa gegen die Sublinie EG.5, auch „Eris“ genannt. Das BMG rechnet für Herbst und Winter mit etwa 14 Millionen Dosen von Biontech sowie 10,6 Millionen Dosen angepasstem Impfstoff von Novavax, wenn die Europäische Kommission die Zulassung erteilt.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Auffrischungsimpfung bislang nur für Menschen ab 60 Jahre oder mit Risikofaktoren, die einen schweren Covid-19-Verlauf begünstigen. Auch das Personal im Pflegebereich soll sich boostern lassen. Die letzte Impfung oder Erkrankung soll vor dem Booster mindestens ein Jahr zurückliegen.

Zu aufwändig für die Praxen

Für viele Haus­ärz­t*in­nen sei es schlicht zu aufwändig, das Vakzin zu verimpfen, sagt Irmgard Landgraf, Hausärztin in Berlin und im Vorstand des Hausärzteverbands Berlin und Brandenburg, der taz. Der Apotheker, der sie beliefert, habe zu Hochzeiten der Pandemie etwa vierzig Praxen angesteuert. Für den neuen Impfstoff hätten sich bislang gerade mal drei oder vier Praxen gemeldet.

Der Biontech-Impfstoff wird auch diesmal in Durchstechflaschen geliefert, aus denen bis zu sechs Impfdosen gezogen werden. Das Problem: Ist die Flasche einmal angebrochen, muss sie innerhalb von zwölf Stunden aufgebraucht werden, übrige Dosen landen im Müll.

Allerdings dürfte es jetzt noch schwerer werden, die Impftermine vollzubekommen. „Wir haben in der ganzen Impfsaison keinen Impfstoff weggeworfen, weil wir das unverantwortlich fanden“, sagt Irmgard Landgraf. Ihre Arzt­hel­fe­r*in­nen hätten deswegen viel herumtelefoniert. Vor der Spritze müssen Pa­ti­en­t*in­nen aufgeklärt, anschließend überwacht und die Impfung an das Robert-Koch-Institut gemeldet werden.

„Dieser Aufwand ist so enorm, dass viele Ärzte sagen: Das können wir uns zeitlich nicht leisten.“ Auch finanziell werde der Einsatz nicht kostendeckend vergütet. Sie erhalte zehn Euro für die Impfung und noch mal fünf für die Organisation und den bürokratischen Aufwand – weitaus weniger als zu Pandemiezeiten.

Zurückhaltung auch auf dem Land

„Bei uns auf dem Land impfen kaum noch Ärzte“, berichtet auch Hausärztin Diane Lorenz-Pferdmenges aus Weddingstedt in Schleswig-Holstein. „Die sagen, sie haben keine Lust mehr auf die Coronageschichte. Sie sind selber impfmüde.“ Dass der Corona-Booster wieder nicht als einzelne Dosis verimpft werden kann, ärgert sie: „Dieser Aufwand in der Pandemiezeit war furchtbar. Es hat einem keiner so richtig gedankt.“

Dennoch hat sich ihr Praxis­team dafür entschieden, den Biontech-Impfstoff zu bestellen. „Ich mache das, weil ich das wichtig finde. Das ist eine wichtige Impfung, weil man dieses Virus nicht verstehen kann. Man weiß nicht, wie es sich jetzt entwickelt.“ Da sich viele ihrer Kol­le­g*in­nen den Aufwand nicht antun wollen, habe das örtliche Gesundheitsamt sie angefragt, ob sie auch Pa­ti­en­t*in­nen aus anderen Praxen impfen würde. Auch unter den Menschen, die für den Booster infrage kommen, sieht Lorenz-Pferdmenges einen gewissen Verdruss: „Die Leute sind impfmüde.“

Irmgard Landgraf aus Berlin kann eine Impfmüdigkeit dagegen nicht feststellen. „Wenn wir als Hausärztinnen sagen: Wir empfehlen Ihnen das, dann sind die Leute auch damit einverstanden. Wir haben jetzt schon Anfragen von Patienten, die ihre Impfung gegen Covid organisieren.“

Der Impfstart dürfte sich in manchen Praxen aber noch hinauszögern – so etwa bei Hausärztin Claudia Kahle, aus dem niedersächsischen Celle. „Wir impfen momentan nicht, weil wir das mit der Grippeimpfung zusammen verabreichen wollen“, sagt sie der taz. Der hochdosierte Grippeimpfstoff für die über 60-Jährigen werde ihr aber voraussichtlich erst Ende September geliefert. „Es macht Sinn, die kombiniert zu impfen. Sonst haben Sie den Patienten noch mal in der Praxis.“ Zudem empfiehlt die Stiko die Grippeimpfung erst ab Oktober, damit das Vakzin zur Hochzeit der Infektionswelle wirkt.

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