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Der Görlitzer Park unter Verschluss

Drogenhandel und Kriminalität: Beim Berliner Sicherheitsgipfel einigt man sich auf einen bunten Strauß von 30 Maßnahmen. Im Görli findet derweil ein Anti-Gipfel statt

Bei der Gegenveranstaltung zum Sicherheitsgipfel bringt eine Demonstrantin im Görli ihre Kritik auf den Pukt   Foto: Foto: C. Prößer

Von Claudius Prößer

Die Sonne brennt auf den Görlitzer Park in Kreuzberg. So stark, dass die OrganisatorInnen der Gegenveranstaltung zum „Berliner Sicherheitsgipfel“ am Freitag anfangs Mühe haben, die BesucherInnen aus dem Schatten des ehemaligen Pamukkale-Brunnens herauszulocken. Auf der improvisierten Bühne gegenüber wechseln sich Redebeiträge mit Hiphop ab, eingeladen hat die Initiative gegen rassistische Polizeigewalt „Ihr seid keine Sicherheit“ (ISKS), das Bündnis „Wrangelkiez United“ und das Alia Mädchenzentrum, um zu kritisieren, was aus ihrer Sicht die Verschärfung einer ohnehin schon prekären Situation darstellt.

Dass der Senat im Görlitzer Park für mehr Sicherheit sorgen wolle, sei eine zynische Behauptung, sagt Rana, Sprecherin des Alia Mädchenzentrums. „Der Regierende Bürgermeister will mehr Polizeipräsenz, die aber nur noch mehr Racial Profiling und rassistische Gewalt bringen wird.“ Der deutsche Staat verstecke sich hinter dem angeblichen Schutz von Frauen, um seinen Rassismus zu kaschieren – auch in der Debatte, die zuletzt nach dem Bekanntwerden einer Gruppenvergewaltigung im Park losgetreten wurde. Um die Sicherheit von Frauen in Lagern für Geflüchtete beispielsweise gehe es dagegen nie.

Es gehe nicht darum, die Vergewaltigung zu verschweigen, betont eine andere Rednerin, aber „was die Menschen brauchen, ist Sicherheit, und Sicherheit heißt keine Polizei“. Alle Teilnehmenden waren sich darin einig, dass die AnwohnerInnen und ParknutzerInnen mit ihren Bedürfnissen und Sorgen bei dem vom Senat einberufenen „Sicherheitsgipfel“ keine Rolle spielen und nicht gehört werde sollen.

Redner Muhammad, der als Sozialarbeiter im Görli arbeitet, spricht von der Armut und den fehlenden Chancen vieler im Park – „sie wollen nicht hier sein, aber sie haben keine anderen Optionen“ –, die die Politik nutze, um diese Menschen zu kriminalisieren.

Kurz zuvor und – gefühlt – in einem anderen Universum hatte im Roten Rathaus eine Riege aus dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU), und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) das Dokument „Ein sicheres Berlin. Machen.“ vorgestellt. Punktlastig ist das Papier nicht nur im Titel: Es führt nicht weniger als 30 Maßnahmen in verschiedenen Bereichen auf.

Der Katalog startet mit einem wahren Füllhorn der Prävention, von mit Personal besetzten Toiletten im Görlitzer Park wie auch am Leopoldplatz in Wedding, Konsummobilen und „Nachtcafés mit Ruhemöglichkeit“ bis zu mehr ParkläuferInnen und „zusätzlichen Angeboten wie Gastronomie und Sportanlagen“. Im Park sollen der Beschnitt von Büschen und Bäumen mehr Sichtachsen herstellen, auch die Beleuchtung soll erhöht werden.

Unter Punkt 15 versteckt sich eines der bislang umstrittensten Instrumente: „Im kriminalpräventiv erforderlichen Umfang“, heißt es dort, „wird der Görlitzer Park umfriedet und temporäre Schließungen werden ermöglicht.“ Das solle vor allem nachts geschehen, um „Betäubungsmittel- und einhergehende Gewalt- und Eigentumsdelikte einzudämmen“. SPD-Innensenatorin Spranger sagte: „Selbstverständlich werden wir diesen Zaun errichten.“ Wann die große Umfriedungsaktion per Zaun samt Drehkreuzen an den Eingängen kommt, für die auch Teile der Mauer des Görlitzer Parks abgerissen werden? Komplett unklar. Die Kosten? Komplett unklar.

Klar müsse aber sein, so Spranger: Sobald der Zaun steht, wird der Park nachts abgesperrt, vom ersten Tag an. Später werde man die Maßnahme evaluieren. Und wenn der Park denn dereinst „befriedet“ ist, könne man die Maßnahme ja auch wieder aufheben.

Zugleich soll es künftig nicht nur mehr polizeiliche Präventionseinsätze und den Einsatz eines „mobilen Videoanhängers“ geben. Im Rahmen einer alsbald vorgesehenen Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) und des „Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin“ sollen auch die Einsatzmöglichkeiten von Bodycams ausgeweitet und mehr Videoüberwachung an „kriminalitätsbelasteten Orten“ ermöglicht werden. Präventivgewahrsam soll künftig bis zu fünf Tagen möglich sein. Der Einsatz von Tasern und der sogenannte finale Rettungsschuss als „Ultima Ratio, um Menschen in höchster Gefahr für Leib und Leben zu schützen“, sollen „rechtssicher geregelt“ werden.

Der Regierende Bürgermeister war am Freitag der Mann für die markigen Worte: „Es gibt mehr Prävention. Und vor allem kommt jetzt neu auch Repression hinzu“, so Wegner. „Angsträume“ müssten „schnellstmöglich der Vergangenheit angehören“, „Zustände wie im Görlitzer Park oder am Leopoldplatz“ seien „untragbar“. Der Görlitzer Park sei ein „Symbol für falsch verstandene Toleranz“, die „unseren starken Rechtsstaat“ untergrabe und Vertrauen zerstöre. Wegner: „Damit ist jetzt Schluss.“

Innensenatorin Spranger sprach von einem „interdisziplinären Ansatz“, mit dem man Kriminalität „nachhaltig bekämpfen und ihrer Entwicklung entgegenwirken“ werde. Während sie sich über die vereinbarte Stärkung der Sicherheitsbehörden freute, betonte Justizsenatorin Felor Badenberg die Ausweitung des „Brennpunkttäterkonzepts auf weitere kriminalitätsbelastete Orte und geeignete Deliktsgruppen“. Straftaten von Mehrfachtätern würden künftig von der derselben Person in der Staatsanwaltschaft bearbeitet.

Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch hebt in einer ersten Reaktion nicht zuletzt auf die sozialen Aspekte des Elf-Seiten-Papiers des Senats ab. Schwarz-Rot habe eingesehen, dass es „mehr Sicherheit im öffentlichen Raum nur mit sozialen Hilfen“ gebe. Das sei der „eigentliche Erfolg“ des Sicherheitsgipfels und „vor allem ein Verdienst der grünen Bezirksbürgermeisterinnen“ Stefanie Remlinger (Mitte) und Clara Herrmann (Friedrichshain-Kreuzberg). Die beiden, so Jaraschs Einschätzung, waren „offensiv auf den Regierenden Bürgermeister zugegangen“.

„Selbstverständlich werden wir diesen Zaun errichten“

Iris Spranger, Innensenatorin

Noch aber seien die Maßnahmen, die sich auch nicht nur auf zwei Orte beschränken dürften, nicht in den Haushaltsentwurf eingeflossen, moniert Jarasch: „Die Bezirke brauchen nicht nur warme Worte, sondern handfeste finanzielle Zusagen.“ Die Grünen-Politikerin fordert einen „50-Millionen-Fonds für urbane Sicherheit“, der „unkompliziert ausgereicht“ werden könne.

Gar nicht so viel anders fällt die Einschätzung in den Reihen der Polizei aus. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, teilt mit, es handele sich „in erster Linie um Absichtserklärungen, die wir in großen Teilen bereits im Koalitionsvertrag finden und die es mit Leben zu füllen gilt“. Man freue sich über „wertschätzende Worte“, die angekündigten Gesetzesnovellen und auch die versprochenen Präventionsmaßnahmen.

„Angesichts der unklaren Haushaltslage“ und vielen unbesetzten Sozialarbeitsstellen in den Bezirken sei aber „zu befürchten, dass wieder allein die Polizei den Ankündigungen nachkommen wird“. Weh forderte einen „regelmäßigen Sicherheitsgipfel“, auf dem die Umsetzung der Pläne evaluiert werden solle.

Im Görlitzer Park machte man sich derweil Gedanken, was polizeilicher Gewalt entgegenzusetzen sei: „Filmt die Polizei bei ihren Einsätzen, um Beweismittel in Verfahren zu haben“, rief eine Rednerin der Initiative „Go Film the Police“ die Anwesenden auf. Das sei erlaubt, auch wenn die Behörde gerne das Gegenteil behaupte.

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