Musterklage gegen Druckerhersteller HP: Sperren lassen Gewinne fließen

Ein US-Gericht geht auf eine Klage gegen HP ein. Dessen Geräte streiken, wenn keine Tinte mehr da ist – auch beim Scannen.

Druckerpatrone, gelb

Marge von mehreren hundert Prozent: Druckertinte Foto: Jochen Tack/imago

BERLIN taz | Druckertinte zählt zu den teuersten Substanzen auf der Welt. Von den Herstellern wird sie mit allen, auch unlauter erscheinenden Mitteln an ihre Kun­d*in­nen gebracht. Seit der vergangenen Woche können zwei Kunden des Druckerherstellers HP aber einmal kräftig durchatmen und wenn sie Glück haben auch eine Menge Geld sparen: Gary Freund und Wayne McMath ist es gelungen, dass ihre Musterklage auf Schadenersatz gegen HP von einem Bundesgericht in Kalifornien angenommen wurde.

Bei beiden, wie bei Hunderten, wenn nicht Tausenden anderen Nut­ze­r*in­nen von Multifunktionsdruckern verweigerten die Geräte die erwartbare Funktionsweise. Sobald nämlich die Druckertinte zur Neige ging, stellten die Maschinen nicht nur den Ausdruck ein, nein, auch Versuche zu scannen oder zu faxen schlugen fehl. Eine Richterin folgte im nunmehr zweiten Anlauf der Klage der Argumentation, dass es „allgemein bekannt ist, dass es zum Scannen und Faxen von Dokumenten keiner Tinte bedarf“.

Ob die Klage insgesamt jedoch Erfolg haben wird, ist völlig offen. In einem ähnlich gelagerten Fall gegen Canon gab sich der Kläger mit einer außergerichtlichen Einigung zufrieden, die weder einen Rechtsanspruch begründete noch die Praxis der absichtlichen und unbegründeten Außerfunktionssetzung der Drucker beendete.

Dass so hart um praktisch jeden Milliliter Druckertinte gerungen wird, ist dabei kein Zufall. Für die Patronen Schwarz, Magenta, Gelb, Cyan werden vierstellige Literpreise kassiert. Die Gewinnmargen aus Tintenverkäufen bewegen sich so bei mehren Hundert Prozent. Auf diese Weise finanzieren Druckerhersteller die Lockangebote ihrer häufig unter dem Herstellungspreis verkauften Tintenstrahldrucker. Dazu müssen die Kun­d*in­nen jedoch gezwungen werden, immer wieder die teure Herstellertinte nachzukaufen.

Dieses auf dem „loss lead“, also einem Anfangsverlust basierende Geschäftsmodell funktioniert nur mit robuster gesetzlicher Unterstützung. Unter dem Rückgriff nicht zuletzt auf das Urheberrecht wird das Prinzip der freien Kaufentscheidung genauso infrage gestellt wie das Eigentumsrecht an vollständig bezahlten Produkten.

Druckerhersteller wie HP sind sicher nicht die einzigen Firmen, deren Selbstbedienungsmentalität jeglichen Schutz der Ver­brau­che­r*in­nen verhöhnen. Jedoch stehen sie schon länger an der vordersten Front der Versuche, ohne signifikante Innovation das immer gleiche Produkt am besten mehrfach und zu sehr hohen Preisen zu verkaufen.

Ausschließlich Markenpapier

Dymo, der Weltmarktführer im Bereich der Labeldrucker, hat das Spiel dabei auf eine neue Spitze getrieben: Da deren Technologie keine Tinte benötigt, der Zugang zu diesem endlosen Geldfluss also versperrt ist, verkauft das Unternehmen seit vergangenem Jahr Drucker, die ausschließlich das Markenpapier aus eigener Herstellung verwenden.

Die Beschränkung auf Verbrauchsmaterialien aus eigener Produktion ist dabei eine rein artifizielle. Sie wird über extra implementierte Sperren, in der Regel auf der Software­ebene, realisiert. Nut­ze­r*in­nen werden damit im Zugriff auf ihr Eigentum erheblich beschränkt, schreibt doch der Produzent vor, wie genau sie es zu nutzen haben. Versuche, die Sperren zu umgehen, sind zum Beispiel unter dem US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA) ungesetzlich.

Argumentiert wird damit, dass die Geräte zwar im vollständigen Eigentum der Käu­fe­r*in­nen seien, die Sperrsoftware jedoch dem Urheberrechtsschutz unterliege. Eine Veränderung dieser Software würde also die Rechte der Hersteller verletzen. Das DMCA wurde Ende der 1990er Jahre, vorgeblich zum Schutz der Kreativwirtschaft, vor allem der individuellen Ur­he­be­r*in­nen eingeführt. In der Praxis aber wird es vor allem zur Entmündigung der Nut­ze­r*in­nen und Profitmaximierung internationaler Konzerne verwendet.

Dieser Missbrauch wird nicht beendet, selbst wenn den Klägern gegen HP in Kalifornien Schadenersatz zugesprochen werden sollte. Das könnte außerdem unter der Maßgabe geschehen, dass HP es lediglich versäumt hat, vorab darauf hinzuweisen, dass bei ihren Geräten ausschließlich nach Befüllung mit Tinte die sonstigen Funktionen nutzbar sind. Ein entsprechender Absatz in der Bedienungsanleitung würde dann für die absehbare Zukunft das prinzipielle Geschäftsgebaren des Druckerherstellers weiter unantastbar halten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.