Erwachsenen-Faible für Teenie-Serien: Noch einmal jung sein

„The Summer I Turned Pretty“ ist nicht die einzige Teenie-Serie, die auch von Erwachsenen geliebt wird. Woran liegt das?

Eine junge Frau und Zwei Männer in Badebekleidung laufen über den Sand

Für wen wird sich Belly entscheiden? Foto: Amazon

„Tut es nicht!“, möchte ich meinem Fernseher entgegenschreien, als Belly und Jeremiah ihre Köpfe immer näher zueinander bewegen. Die beiden sitzen in einem Kinosaal und trinken mit zwei Lakritzschlangen aus einer Dose Limo. Sie gucken sich tief in die Augen und ich denke: „Shit, jetzt küssen sie sich.“ Shit, denn Belly (Lola Thung) soll doch nicht den lustigen Jeremiah (Gavin Casalegno) küssen, sondern lieber wieder mit dem schweigsamen großen Bruder Conrad (Christopher Briney) zusammenkommen. Denn die beiden, das ist die große Liebe. Oder?

Die drei sind die Hauptfiguren der Dramaserie „The Summer I Turned Pretty“, die auf den gleichnamigen Romanen von Jenny Han beruht und mittlerweile in der zweiten Staffel bei Amazon Prime läuft. Auf den ersten Blick ist es eine klassische Coming-of-Age-Geschichte mit illegalen Strandpartys, einem Debütantinnenball und einer Dreiecks-Liebesgeschichte. Auf den zweiten Blick eine Auseinandersetzung mit Mutterschaft, (psychischen) Krankheiten und dem Tod – aber mit hübscher Kulisse im Leben der Schönen und Reichen.

Seitdem sie ein Kind ist, verbringt Belly jeden Sommer mit ihrem Bruder und ihrer Mutter im Strandhaus der besten Freundin der Mutter und deren Söhnen. Doch in diesem Sommer ist alles anders: Die Freundin ist tot und das Haus – eine Villa im Countrystyle mit Pool und Privatsteg – soll verkauft werden. Die Teenies versuchen gemeinsam ihren Sehnsuchtsort zu retten. Ein schwieriges Unterfangen, von dem Belly ständig mit der Frage abgelenkt wird: In welchen der beiden Brüder ist sie nun wirklich verliebt?

Mittlerweile bin ich in dem Alter, dass ich fast die Mutter der Protagonist_innen sein könnte und trotzdem freue ich mich jede Woche auf eine neue Folge, die sich eigentlich an Jugendliche richtet. Generell sind Teenie-Serien mein Ding: Egal ob „Sex Education“, „Heart Stopper“ oder „Never Have I Ever“, ich habe sie alle gesehen. Und damit bin ich nicht allein. „The Summer I Turned Pretty“ ist seit Wochen auf Platz 1 der Amazon-Charts. Im Internet wimmelt es von Listen, wie „20 Teenie-Dramen, die Erwachsene heimlich gerne gucken“. Auch die deutsche Webserie „Druck“, die sich mit ihren popkulturellen Referenzen eindeutig an die Gen Z richtet, ist vor allem unter älteren Menschen beliebt. Doch warum gucken wir so gerne Serien, in denen die Protagonist_innen halb so alt sind wie wir?

Vertrautes Gefühl

Die einfachste Antwort auf diese Frage wäre: Nostalgie. Wir sehnen uns zurück in unsere Zeit als Teenager ohne große Verantwortung und viele aufregende erste Male. Doch das allein wird es nicht sein.

Teenie-Serien erzählen häufig Geschichten von Mädchen oder jungen Frauen, die sich emanzipieren. Und mit diesem Gefühl können wir uns identifizieren. Wir wissen, wie es sich anfühlt, das erste Mal verliebt zu sein, sich gegen die Eltern zu stellen oder wie es sich anfühlt, nach dem Ende der Schulzeit ins große Ungewisse zu rutschen. Das macht die Erzählungen zwar oft vorhersehbar, aber auch vertraut. Es gibt wenig Überraschungen und in der Regel erwartet uns ein Happy End. Die Serien sind also perfektes Material für Comfort-Watching.

Zu diesem Gefühl des Vertrauten kommt das der Erleichterung. Denn die Pubertät ist nicht nur eine Zeit der aufregenden ersten Male, sondern auch eine der großen Unsicherheiten. Eine Zeit, in der sich jeder Streit wie ein Krise und jeder Liebeskummer wie der Weltuntergang anfühlt. Mittlerweile haben wir zumindest einen Teil dieser Unsicherheiten abgelegt und wissen, dass nicht jede Entscheidung weltbewegend ist. Wenn wir also Belly beim Verzweifeln zusehen, wie sie sich nicht zwischen zwei Jungs entscheiden kann oder wie ihre Mutter mit ihr schimpft, weil sie schlechte Noten mit nach Hause bringt, erinnern wir uns an unsere eigenen Erfahrungen und wissen: Alles halb so wild.

Das trifft nicht auf alle Teenie-Serien zu. Bei „13 Reasons Why“ oder „Euphoria“ wird die Teenager-Zeit so düster dargestellt, dass sie nicht zum Comfort-Watching taugen. Doch vermutlich hatten die Serienmacher_innen hier von Anfang an ein älteres Publikum im Blick. Denn nicht jede Serie mit Teenies in den Hauptrollen ist eine Teenie-Serie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.