Gesundheitsrisiken durch Klimawandel: „Wir sind darauf nicht vorbereitet“

Der Klimawandel bringt Hitze und Infektionserreger mit sich. Das bedeutet erhöhte Gesundheitsrisiken auch für die Menschen hierzulande.

Tigermücke bei einer Untersuchung im Landesamt für Gesundheit und Pflege Hessen.

Tritt künftig vermehrt in Deutschland auf: Tigermücke, hier im Landesamt für Gesundheit Hessen Foto: dpa | Helmut Fricke

HAMBURG taz | Die gesundheitlichen Risiken, die der Klimawandel mit sich bringt, sind im Gegensatz zu seinen Auswirkungen auf die Erde noch wenig bekannt. Vor allem in Ländern des Globalen Nordens ist man sich der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels noch kaum bewusst, meinen Ex­per­t*in­nen aus Medizin und Klimaforschung. „Auch wenn der Klimawandel ein schleichender Prozess ist, sind seine Folgen schon akut spürbar“, sagt Mojib Latif, Klimaforscher und Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg.

Er bezieht sich dabei auf die Zunahme von Hitzewellen und Starkregen – Folgen des Klimawandels, die sich in den nächsten Jahrzehnten stärker zeigen werden. „Der Klimawandel läuft nicht linear ab. Es ist bereits eine Beschleunigung zu bemerken, wie etwa beim Anstieg des Meeresspiegels“, sagt er.

Insbesondere die zunehmende Hitze stelle den Körper vor große Probleme, sagt auch Charlotte Schubert, Ärztin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Gerade Pa­ti­en­t:in­nen mit Vorerkrankungen leiden darunter. Demenz-, Parkinson- und MS-Erkrankte könnten eine Verschlechterung ihrer Erkrankung erleben, sagt sie. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle, Herzinfarkte und Krampfanfälle würden häufiger.

In Anbetracht dessen, dass wissenschaftlich davon ausgegangen werde, dass es global, aber auch in Norddeutschland in den nächsten Jahren wärmer werde und Extremwetterereignisse zunähmen, sei dies eine der zentralen Folgen, die der Klimawandel auf die Gesundheit haben werde.

„In Norddeutschland erleben wir in der Regel gemäßigtere Temperaturen als in Südeuropa. Dadurch sind die Menschen auf die Hitzepeaks nicht immer vorbereitet“, sagt Schubert. Gerade pflegebedürftige Pa­ti­en­t*in­nen benötigten in Hitzeperioden vermehrt ärztliche Hilfe, da auf die Temperaturanstiege nicht ausreichend mit Maßnahmen wie Kühlung, Flüssigkeit und, gegebenenfalls, Medikamentenanpassungen reagiert werde.

Die Tigermücke und der Japanische Buschmoskito werden hier künftig vermehrt auftreten

Neben der Hitze bringt der Klimawandel weitere gesundheitliche Risiken mit sich: „Eine der Folgen wird sein, dass die von Stechmücken übertragenen Infektionserreger und die von ihnen hervorgerufenen Erkrankungen zunehmen. Zwischen ansteigenden Temperaturen und der stärkeren Vermehrung von Infektionserregern in Stechmücken besteht ein klarer Zusammenhang“, sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe und Leiter der Abteilung Arbovirologie/Entomologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

Auch wenn manche Viren aus Ländern des Globalen Südens, wie etwa das Gelbfiebervirus, in Norddeutschland kaum eine Rolle spielen würden, sei damit zu rechnen, dass invasive Arten wie die Tigermücke oder der Japanische Buschmoskito künftig vermehrt aufträten. „Wenn sich solche Arten stark ausbreiten, könnten auch in Norddeutschland Krankheiten wie Dengue oder Zika auftreten“, sagt Schmidt-Chanasit. Charlotte Schubert nennt auch die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und das West-Nil-Virus als Beispiele für Infektionen durch ungewöhnliche Viren, die durch Insekten übertragen werden und als Infektionen auch in Norddeutschland zunähmen.

Im Anstieg der durch Stechmücken übertragenen Viren werde jedoch nicht das größte Problem liegen, sagt Schmidt-Chanasit. „Hitze-bedingte Erkrankungen werden hier bezüglich der Fallzahlen einen deutlich größeren Schaden an der menschlichen Gesundheit anrichten.“ Dabei spiele in Deutschland auch der demografische Wandel eine Rolle. Ältere Menschen seien gefährdeter, durch die Hitze gesundheitliche Schäden davonzutragen, als junge.

Darauf müsse das Gesundheitssystem reagieren – was laut Schubert bereits teilweise geschieht. „In den letzten Jahren hat die Forschung zur Wirkung des Klimawandels auf den Menschen und zu möglichen städtebaulichen Vorkehrungen Fahrt aufgenommen“, sagt sie. So werde versucht, mehr grüne Inseln und mehr öffentliche Trinkwassermöglichkeiten in Städten einzurichten. Außerdem werde versucht, Alten- und Pflegeheime baulich besser gegen Hitze zu schützen.

Darüber hinaus sei die Aufklärung der Bevölkerung, aber auch des pflegerischen und ärztlichen Personals zur Wirkung von Hitze auf Pa­ti­en­t*in­nen essenziell. Bezüglich der Hitze gebe es etwa Warnsysteme des Deutschen Wetterdienstes sowie eine Handlungsempfehlung des Umweltbundesamts für richtiges Verhalten bei Hitze. Es könne aber noch deutlich mehr Aufklärung geben, sagt Schubert.

Um die Ausbreitung invasiver Insektenarten zu überprüfen und zu erkennen, welche Viren wo zirkulieren, existierten in Deutschland bereits Frühwarn- und Überwachungssysteme, sagt Schmidt-Chanasit. Sie müssten aber weiter ausgebaut werden. Langfristig sei zudem eine professionelle Kontrolle und Bekämpfung von Stechmücken mit trainiertem Personal nötig, wie es sie bereits in Griechenland gebe. Damit die Mücken nicht in die Wohnung flögen, könne man zum Beispiel Stechmückengitter anbringen.

Außerdem sei eine enge Vernetzung der Akteure des Gesundheitssystems wichtig. „Das funktioniert in Deutschland noch nicht so gut und muss besser werden, sonst bringen die Maßnahmen nichts, weil es noch zu lange dauert, um eine Epidemie mit Stechmücken-übertragenen Erregern effektiv einzudämmen“, sagt Schmidt-Chanasit.

Gesundheitssystem ohnehin stark belastet

Problematisch ist bei all diesen Vorhaben, dass das Gesundheitssystem ohnehin stark belastet ist. „Der Personalmangel und die hohe Belastung sind eklatant, nicht nur auf den Klimawandel bezogen, sondern auch generell“, sagt Schmidt-Chanasit. Um die durch den Klimawandel entstehende zusätzliche Belastung abzufedern, brauche man mehr finanzielle Ressourcen und sowohl Personal- als auch Sachmittel, um qualifiziertes Personal zu schaffen. „Wenn es dann einmal genug qualifiziertes Personal gibt, wird es darum gehen, mit Hilfe von Multiplikatoren breite Bevölkerungsgruppen zu erreichen“, sagt er.

Auch Klimaforscher Latif findet problematisch, dass bezüglich der Folgen des Klimawandels nicht weit genug gedacht werde. „Man achtet immer auf die Wetterextreme und darauf, was sie für die Landwirtschaft oder die Wälder bedeuten, aber man macht den nächsten Schritt nicht.“ Dass Folgen des Klimawandels und dadurch entstehende Infektionskrankheiten die menschliche Gesundheit unmittelbar betreffen werden und laut WHO eine Bedrohung für die Menschheit darstellten, müsse mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken.

Das Hauptproblem ist laut Latif aber folgendes: „Ganz viele Menschen spüren den Klimawandel noch gar nicht am eigenen Leib. Man hat nicht das Gefühl, dass die eigene Gesundheit bedroht ist. Das Problem ist, dass der Klimawandel so schleichend ist, dass er deswegen so abstrakt bleibt und die Menschen das Gefühl haben, es ist alles in Ordnung. Dabei ist gar nichts in Ordnung.“

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