In Russland inhaftierter Journalist: „Evan, bleib stark!“
Ein Moskauer Gericht bestätigte am Dienstag die Inhaftierung des US-Journalisten Evan Gershkovich. Er will weiter für seine Freiheit kämpfen.
In einem verglasten Kasten steht Evan Gershkovich, US-Journalist, am Dienstag in einem Moskauer Stadtgericht und lächelt. „Evan, bleib stark!“, ruft ihm ein Kollege auf Russisch zu. Seit über zwei Wochen ist der US-Journalist im berüchtigten Moskauer Lefortowo-Gefängnis in Haft. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB wirft ihm Spionage vor. Er soll Staatsgeheimnisse gesammelt haben.
Gershkovich und sein Anwalt hatten Berufung gegen die Haft eingereicht. Das Moskauer Stadtgericht hat am Dienstag über diesen Einspruch entschieden – und die Inhaftierung bestätigt. Gershkovich bleibt also vorerst in Haft.
Vor dem Gerichtsgebäude sagte die US-Botschafterin in Russland, Lynne Tracy: „Es war schwer für mich zu sehen, dass ein unschuldiger Journalist unter solchen Bedingungen festgehalten wird. Gestern durfte ich ihn zum ersten Mal in der Untersuchungshaft sehen, und er ist gesund und hält trotz der Umstände durch. Wir werden ihm weiterhin helfen und konsularischen Zugang fordern. Die Anschuldigungen sind haltlos, wir fordern weiterhin, dass Russland ihn freilässt, so wie es Paul Whelan freigelassen hat.“
Gershkovich, der für das Wall Street Journal als Reporter aus Russland berichtete, war Ende März in Untersuchungshaft genommen worden. Er sei beim Spionieren im Auftrag der amerikanischen Regierung auf „frischer Tat ertappt“ worden, behauptete Kremlsprecher Dmitri Peskow. Das Weiße Haus und das Wall Street Journal weisen die Anschuldigungen zurück. Bei einer Verurteilung drohen dem Journalisten bis zu 20 Jahre Gefängnis.
„Ich verliere nicht die Hoffnung“
Vor wenigen Tagen wurde ein erster Brief veröffentlicht, den Gershkovich aus dem Gefängnis an seine Familie geschrieben hat. „Ich möchte sagen, dass ich die Hoffnung nicht verliere“, schreibt der Journalist darin. „Ich lese. Ich mache Sport. Und ich versuche zu schreiben. Vielleicht werde ich endlich etwas Gutes schreiben.“ Der Brief ist auf Russisch verfasst, der Muttersprache seiner Eltern, die die Sowjetunion als jüdische Emigranten in den Siebzigerjahren verlassen haben.
In einem kürzlich veröffentlichen Video des Wall Street Journal sagten die Eltern des Reporters, sie seien optimistisch, dass die schlimme Situation gelöst werden könne. „Es ist eine der amerikanischen Eigenschaften, die wir verinnerlicht haben, optimistisch zu sein und an ein Happy End zu glauben, und das ist es, wo wir im Moment stehen“, sagte Gershkovichs Mutter, Ella Milman. „Aber ich bin nicht dumm. Ich verstehe, worum es geht. Aber das ist es, was ich glauben will.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung