Gewaltfreie Kommunikation: Oh, ein Joghurtbecher aus Plastik

Es ist einfach, Leute individuell für Fehler zu verurteilen. Das sorgt zwar punktuell für Genugtuung, wirkt aber strukturell nicht nach.

Ein Plasik-Joghurtbecher auf orangefarbenem Untergrund

„Ich bin kein besserer Mensch, weil ich Joghurt aus Gläsern statt aus Plastikbechern esse“ Foto: Alamy/Zoonar/mauritius images

Urteilen ist einfach. Stellung zu beziehen, ohne sich dabei über andere zu stellen, ist schon schwieriger. Ich denke in letzter Zeit viel über gewaltfreie Kommunikation in politischen Kämpfen nach. Und wie diese gelingen könnte.

Ein Grund ist, dass ich den Eindruck habe, dass es oft einfacher ist, individuelle Personen anzugreifen als machtvolle Institutionen. Ich meine damit nicht, dass wir damit aufhören sollten, Mikroaggressionen und Alltagsdiskriminierung zu thematisieren oder zu überlegen, wie wir uns als Individuen anders verhalten könnten. Oft werden aber Ersatzkämpfe geführt, die punktuell Genugtuung verschaffen, strukturell aber nicht nachwirken.

Andere verbal abzustrafen, um auch endlich mal zu gewinnen, ist unheimlich verführerisch. Wir brauchen aber mehr Kritik an Verhältnissen und weniger automatisierte Gewissheiten. Es ist einfach, Leute zu verurteilen, weil sie im 1-Euro-Shop einkaufen oder kein Biogemüse kaufen. Ich bin aber kein besserer Mensch als andere, nur weil ich Joghurt aus Gläsern statt aus Plastikbecherchen esse. Im Lästern über „Billigprodukte aus China“ klingt immer auch eine Prise Klassismus mit, schön nachgesalzen mit Rassismus.

Wir sind alle zu jeder Zeit in Machtgefüge verstrickt. Allein die Klamotten, die ich mir leisten kann, kann ich mir nur deshalb kaufen, weil die Person, die sie genäht hat, unterbezahlt wird. Und weil der Fluss, in den das Abwasser der Farbstoffe geleitet wird, ein Stück weiter verschmutzt und das Ökosystem seiner An­woh­ne­r:in­nen – der menschlichen und der nichtmenschlichen – ein Stück weiter zerstört wird.

Wir alle sind zu Gewalt fähig

Sich als Umweltbewegung den Spruch „wenn der letzte Baum gerodet …“ als indigene „Weissagung der Cree“ anzueignen (die Kulturerzählung zum Zitat wäre im Übrigen noch mal nachzurecherchieren) ist einfach, sich tatsächlich solidarisch mit den Kämpfen der Water Protectors gegen die Ölpipeline Line 3 in Minnesota zu zeigen und das eigene Auto aufzugeben, dann oft zu unbequem.

Nur weil ich gelernt habe, Dynamiken der Ungleichheit oder des Otherings zu erkennen, heißt es nicht, dass ich von diesen frei bin. Wir alle sind zu Gewalt fähig, das ist das Erschreckende, das wir oft abzuwehren versuchen.

Ich habe als Kind im Kunstunterricht auch „edle Wilde“ auf Stoffbeutel gezeichnet und keinen hat es interessiert. Wahrscheinlich hab ich sogar eine Eins dafür gekriegt, dass ich der Fantasiegestalt einen haptischen Knochen durch die Nase gezogen habe.

Dass ich irgendwann kapiert habe, dass solche Motive eine Form der kulturellen Vermittlung von Rassismus sind, weil diese Bilderwelten die Idee weißer Vorherrschaft eingespeichert haben, heißt nicht, dass ich schlauer bin als andere. Es heißt nur, dass ich die tiefe Verwurzelung der kolonialen Logik ein Stück weiter entlang ihrer vielen Verästelungen nachverfolgt habe.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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