Die Justiz vs. Mr. Trump

Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wird ein Ex-Präsident strafrechtlich angeklagt. Trump hält die Vorgänge für „politische Verfolgung“ – die Republikaner springen ihm bei

Das ewige Opfer schlimmer Machenschaften der Justiz: Donald Trump und sein unerschütterliches Selbstbild Foto: Carlos Barria/reuters

Aus New York Dorothea Hahn

Die Anklage gegen Donald Trump öffnet ein neues Kapitel politischer und juristischer Auseinandersetzungen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat angeklagt wird. Es trifft einen Politiker, der wie kein anderer die Legitimität und Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellt. Und es passiert eineinhalb Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen, bei denen er erneut antritt und bislang der bestplatzierte republikanische Kandidat ist.

Mindestens zwölf Mitglieder einer Grand Jury in New York City haben am Donnerstagabend entschieden, Trump anzuklagen. Die Details der Anklage blieben zunächst noch unter Verschluss.

Der Angeklagte reagierte wenige Minuten nach Bekanntwerden der Entscheidung mit einem wutschnaubenden Kommuniqué aus seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida. Darin beschreibt Trump sich selbst als Opfer, er sei „eine komplett unschuldige Person“, der Staatsanwalt Alvin Bragg hingegen „eine Schande“, der die „Drecksarbeit für Joe Biden“ erledige.

Sofort stimmte ein Chor von führenden Republikanern in Trumps Gegenattacke ein. Dabei machten sich sowohl Unterstützer als auch innerparteiliche Konkurrenten die Trump-Terminologie zu eigen. Sie sprachen von „Hexenjagd“, von „Einmischung in die Präsidentschaftswahlen“ 2024, von „radikal linken Demokraten“ und von einem angeblich von George Soros finanzierten Staatsanwalt.

Kein Republikaner befasste sich mit den mutmaßlichen Anklagepunkten, wozu betrügerischer Umgang mit Wahlkampfgeldern und Schweigegeldzahlungen gehören, die das Ziel hatten, die Wähler zu manipulieren. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, behauptete, Staatsanwalt Bragg habe das Land „irreparabel“ beschädigt. Ex-Vizepräsident Mike Pence gab sich „empört“.

Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die sich Hoffnungen auf einen eigenen Karrieresprung im Fall von Trumps Wahl macht, prognostizierte in Georgia, er werde die nächsten Präsidentschaftswahlen auf jeden Fall gewinnen. Und in Florida versicherte Gouverneur Ron DeSantis, der aussichtsreichste andere potenzielle Präsidentschaftskandidat der Republikaner, dass er Trump nicht nach New York ausliefern werde.

Allerdings ist nicht sicher, ob dieses Ansinnen überhaupt an den Gouverneur gerichtet wird: Von einem Trump-Anwalt verlautete bereits, dass der 76-Jährige beabsichtige, sich Anfang der Woche dem Staatsanwalt in New York zu stellen.

Trump hatte die zunehmend wahrscheinliche Anklage längst in seinen Wahlkampf integriert. Er ging so weit, seine Verhaftung für den 21. März anzukündigen und seine Anhänger mit Worten zu Protesten aufzufordern, die wie eine Wiederholung seiner Mobilisierung vor dem 6. Januar 2021 klangen, dem Tag des Sturms auf das US-Kapitol.

Wesentliche Rollen beim Zustandekommen der Anklage in New York haben die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels und der ehemalige Trump-Anwalt Michael Cohen gespielt. Daniels ist eine von mehreren Frauen, die sagen, dass sie Affären mit Trump hatten, als er frisch mit Melania verheiratet und gerade wieder Vater geworden war. Cohen ist der Anwalt, der unter anderem Daniels, aber auch dem Fotomodell Karen McDougal vor der Präsidentschaftswahl von 2016 Schweigegeld in Höhe von 130.000 und 150.000 Dollar übergeben hat, um ihre Enthüllungen zu verhindern.

Die Zahlung von Schweigegeldern ist nicht illegal – wohl aber die betrügerische Bezeichnung dieser Gelder als „Anwaltskosten“, möglicherweise auch ihre Entnahme aus Trumps Wahlkampfkasse.

Der 49-jährige Yorker Staatsanwalt Bragg ist nicht der einzige Ermittler, der Donald Trump gefährlich geworden ist. In Georgia sind Ermittlungen über Trumps mutmaßlich illegale Versuche, das Wahlergebnis von 2020 zu manipulieren, weit fortgeschritten. In Washington laufen Ermittlungen über Trumps illegale Mitnahme von Geheimdokumenten nach Florida und über seine Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol.

Alle drei können zu weiteren Anklagen gegen den Ex-Präsidenten und gegenwärtigen Präsidentschaftskandidaten führen. Es ist völlig offen, ob – und für wie lange – die Anklagen Trump hinter Gitter bringen können.

argumente