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Bericht der Wehrbeauftragten Eva HöglBundeswehr-Zustand bleibt desolat

Hat das Sondervermögen die Lage der Bundeswehr verbessert? Das Urteil der Wehrbeauftragten Eva Högl ist harsch.

Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) bei einem Truppenbesuch im niedersächsischen Schortens Foto: Sina Schuldt/dpa

Berlin taz | Zu behäbig, ein erbärmlicher Zustand, von allem zu wenig: Es ist ein niederschmetterndes Zeugnis, das die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl, der Bundeswehr ausstellt.

Dabei hat der seit mehr als einem Jahr währende russische Angriffskrieg auf die Ukrai­ne alles verändert. „Die Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder Kernauftrag der Bundeswehr“, teilt Högl bei der Vorstellung ihres Jahresberichts mit. Am Geld sollte es eigentlich nicht mangeln, schließlich hatte der Bundestag ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro beschlossen. Aber, moniert die SPD-Politikerin: „Ich muss leider feststellen, dass im Jahr 2022 von diesem Sondervermögen noch kein Euro und kein Cent ausgegeben wurde.“

Die Wehrbeauftragte gilt als „Anwältin“ der Soldat:innen. Sie unterstützt nach Artikel 45b den Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Scharfe Kritik übt Högl am Beschaffungswesen, das ihr schlicht „zu behäbig“ ist. Material, die persönliche Ausrüstung der Soldat:innen, diverses Gerät: „Es dauert alles viel zu lang.“

Mit der Unterstützung der Ukraine hätte sich das Problem verschärft, denn das abgegebene Material müsse schnell ersetzt werden. Ihre Beispiele klingen absurd. Seit rund sechs Jahren fehlen offenbar Geräte für ein Biologie-Labor für die ABC-Abwehr-Schule in Sonthofen, ein spezieller Fliegerhelm steht schon seit 2013 auf der Beschaffungsliste. Dabei handelt es sich laut Högl um Produkte, die auf dem Markt durchaus verfügbar sind.

Auch einen kleinen Seitenhieb auf Kanzler Scholz verkneift sich Högl nicht. Das von ihm ausgerufene Deutschland-Tempo für Infrastrukturprojekte wie LNG-Terminals müsse auch für die Bundeswehr gelten: „Zu viele Kasernen in Deutschland sind in einem erbärmlichem Zustand.“ Und: Ohne Tempo „würde es etwa ein halbes Jahrhundert dauern“, bis die Infrastruktur der Bundeswehr modernisiert wäre.

Neue Aufgaben, mehr Stress fürs Personal. Und dessen Anzahl mit 183.051 Sol­da­t:in­nen ist derzeit rückläufig. Laut Bericht waren es 2021 noch 183.695 Soldat:innen. Bis 2031 sollen es 203.000 werden. Högls Prognose ist auch bei dem Thema düster. Lange Einsatzzeiträume, Überlastung, wenig attraktive Jobs für Frauen – das alles macht es schwer, die Marke zu erreichen. Die Lücken sind bekannt und durch das zugesagte Sondervermögen offenbar nicht zu schließen. Högl erneuerte ihre Forderung nach einer Verdreifachung der Summe und unterstützt die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, den regulären Etat um 10 Milliarden Euro zu erhöhen.

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2 Kommentare

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  • Die israelische Armee ist mit einem Jahresbudget von 20 Milliarden Euro voll einsatzfähig.

    Die Bundeswehr mit einem Jahresbudget von 40 Milliarden Euro (plus 100 Milliarden Euro aus der Zeitenwende) in einen desolaten Zustand.

    Am Geld kann es wohl nicht liegen.

    • @Benzo:

      Zum Einen verteilen sich die 100 Mrd des Scholz'schen-Wumms ja auf 10 Jahre, zum Anderen entspricht das Budgtet der IDF 5,2% des BIP und ist damit auf die Wirtschaftsleistung bezogen mehr als doppelt so hoch wie der Anteil den die BW bekommt.



      Unbenommen ist dennoch, dass die Strukturen vA im Beschaffungswesen zentraler Teil des Problems sind.