Volkskongress in China: Unberechenbarer Xi

Chinas Präsident Xi baut seine Macht und das Militär aus. In Washington, Berlin und andernorts sollte man die Warnsignale nicht ignorieren.

Xi Jinping beim Nationalen Volkskongress

Könnten seine Entscheidungen immer irra­tionaler und konfliktfreudiger werden? – Xi Jinping am Montag Foto: Noel Celis/reuters

Wenn Xi Jinping seine Soldaten zu einer „großen Mauer aus Stahl“ formen will, dann sollte die Bundesregierung solche Worte nicht nur als martialische Metapher abtun, sondern die dahinterliegende Botschaft ernst nehmen. Gerade jetzt, wo sich die geopolitischen Spannungen zwischen Peking und Washington bereits auf einem historischen Rekordhoch befinden.

Der Konflikt zwischen den zwei Weltmächten wurde lange Jahre mit allen möglichen Floskeln umschrieben, doch um den Terminus „Kalter Krieg“ haben sich die meisten Experten bislang erfolgreich gewunden. Seit dem Abschuss des chinesischen Spionageballons hegt jedoch kaum noch jemand länger Zweifel daran. Der Westen bekommt dabei meist nur die tendenziell moderaten Stimmen aus der Volksrepublik zu hören, die radikalen bleiben hinter der Sprachbarriere und Zensur verborgen.

Dabei gibt es im Reich der Mitte etliche Kriegstreiber, die auf den sozialen Medien zu ihrem Millionenpublikum eine militärische Auseinandersetzung mit dem imperialistischen Erzfeind USA beschwören. Leider sieht es auf der anderen Seite der Erde ähnlich deprimierend aus: Eine harte, teils feindliche Politik gegenüber Peking eint beide Lager Washingtons. Mehr noch: Stärke gegenüber China zu zeigen ist zum Standardritual geworden, um auf Stimmenfang zu gehen.

Mit Blick auf Taiwan könnte dieser kalte Krieg eskalieren: Peking und Washington kratzen am Status quo und versuchen ein Machtverhältnis zu verändern, das über mehrere Jahrzehnte eine vergleichsweise stabile Entwicklung des demokratisch regierten Inselstaates sichergestellt hatte. Dass nun Xi Jinping als de facto Alleinherrscher die Volksrepublik China durch dieses geopolitische Minenfeld manövriert, birgt etliche Gefahren.

Zwar ist der auf Kontrolle und Stabilität bedachte Xi kein zweiter Putin, doch möglicherweise könnte er sich dahin entwickeln: Die Gefahr besteht, dass Xi Jinpings Entscheidungen immer irra­tionaler und konfliktfreudiger werden.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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