Geflüchtete Afghaninnen in Deutschland: Ein kleines bisschen Schutz

Frauen in Afghanistan werden systematisch entrechtet. Im Asylverfahren in Deutschland bekommen sie aber oft nur prekären Schutz.

Frauenfussballmanschaft lässt sich von einem AP-Fotografen mit Burka fotografieren, weil sie nicht erkannt werden wollen

Stiller Protest einer Frauenfussballmanschaft in Kabul gegen die Taliban

BERLIN taz | Immer weiter beschneiden die Taliban in Afghanistan die Rechte von Frauen und Mädchen. Gerade erst wurde in Teilen des Landes der Verkauf von Verhütungsmitteln verboten. Trotz dieser systematischen Entrechtung bekommen afghanische Frauen, die in Deutschland Asyl beantragen, nur eingeschränkt Schutz – und das entgegen einer Empfehlung der Europäischen Asylagentur. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger hervor, die der taz vorliegt.

Im Januar hatte die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) ihre Länder-Richtlinie für Afghanistan aktualisiert. In der Analyse war die EU-Agentur zu dem Schluss gekommen, dass „Frauen und Mädchen allgemein von Verfolgung bedroht sind und daher Anspruch auf einen Flüchtlingsstatus haben“.

Auf sechs Seiten listet die EUAA auf, welche Entrechtungen Frauen seit der Machtübernahme der Taliban im September 2021 erleben. So dürfen sie etwa nicht ohne Begleitung eines Mannes weiter als 72 Kilometer reisen, keine Schulen und Universitäten mehr besuchen, keine öffentlich sichtbaren Berufe mehr ausüben und ohne Vollverschleierung wird ihnen medizinische Versorgung verwehrt.

Schweden und Dänemark haben die Empfehlung der EUAA bereits umgesetzt. Die Abgeordnete Bünger hatte nun gefragt, ob die Bundesregierung dies auch tun werde. Darauf antwortet das Bundesinnenministerium ausweichend, die Lage werde „fortlaufend aufmerksam beobachtet“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe „die Entscheidungspraxis für diese Personengruppe“ im Dezember 2022 angepasst, „um der verschlechterten Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan Rechnung zu tragen“. Die Entscheidungspraxis werde vom Bamf „ständig überprüft“.

Ein kleines bisschen Schutz

Die Antwort des BMI zeigt auch: Zumindest im Jahr 2022 sah man wenig Anlass dafür, Afghaninnen echten Flüchtlingsschutz zu gewähren. Zwar betrug die bereinigte Schutzquote bei weiblichen Asylantragstellerinnen 99,6 Prozent. Doch nur rund 29 Prozent davon wurden als Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Knapp 7 Prozent bekamen lediglich subsidiären Schutz. In fast 64 Prozent der Fälle wurde gerade mal ein Abschiebungsverbot verhängt.

Diese Unterscheidung ist nicht trivial. Anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die bei Bedarf verlängert werden kann, uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang und das Recht, ihre Familie nachzuholen. Subsidiär Geschützten haben kein Recht auf Familiennachzug, können ihn aber beantragen – allerdings dürfen derzeit nur 1.000 Personen monatlich einreisen. Für Menschen mit einem zunächst einjährigen Abschiebungsverbot ist der Familiennachzug noch sehr viel eingeschränkter.

Das BMI spezifizierte in seiner Antwort nicht, wann im Dezember das Bamf seine Leitsätze anpasste. Die jüngsten Zahlen zeigen bislang kein Umdenken: Auf taz-Anfrage erklärte das Bamf, die bereinigte Schutzquote bei Afghaninnen habe im Januar bei 99,8 Prozent gelegen. Doch nach wie vor bekamen rund 63 Prozent von ihnen lediglich ein Abschiebungsverbot.

„Es ist nicht akzeptabel, wenn nur weniger als ein Drittel der Frauen aus Afghanistan in Deutschland einen Flüchtlingsschutz erhalten, trotz der systematischen Verletzung ihrer grundlegenden Rechte durch die Taliban“, kritisierte Clara Bünger gegenüber der taz die bisherige Praxis des Bamf. Auch die „drastische Zunahme der Entrechtung und Drangsalierung“ im Verlauf des Jahres 2022 habe nicht zu einem Anstieg beim Flüchtlingsschutz geführt.

Bundesregierung und Bamf ignorierten die Empfehlung der EU-Asylagentur, kritisierte die Linkenpolitikerin. „Frauen und Mädchen aus Afghanistan brauchen einen sicheren Schutzstatus, keinen bloßen Abschiebungsschutz, der ihnen nicht einmal den Nachzug ihrer Kinder erlaubt“, so Bünger. „Der Anspruch einer feministischen Außenpolitik muss sich auch in der Entscheidungspraxis des Bamf niederschlagen, um nicht zum folgenlosen Gerede zu werden.“

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