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Viel Unterstützung für Rishi Sunak

Im britischen Parlament stößt der Premier auf parteiübergreifende Zustimmung für seinen Nordirland-Deal. Selbst altgediente Brexiteers loben sein Verhandlungsergebnis. Nur Boris Johnson schweigt deutlich

Aus London Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

„Wir haben ein Übereinkommen erreicht, das viele für unmöglich hielten“, hob der britische Premierminister Rishi Sunak am Montagabend vor einem proppevollen Unterhaus an, als er seinen neuen „Windsor-Rahmen“ vorstellte, den er wenige Stunden zuvor mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besiegelt hatte.

Das Nachfolgeabkommen des Nordirland-Protokolls werde den Handel innerhalb des Vereinigten Königreichs frei laufen lassen und Nordirlands Souveränität schützen, sagte Sunak. Er habe auf die nordirische Bevölkerung und insbesondere die protestantischen Unionisten der DUP (Democratic Unionist Party) gehört, sagte Sunak und versprach das Verschwinden der EU-Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien. Es gebe in Nordirland nun wieder die gleichen Lebensmittel und Medikamente wie in Großbritannien, ebenso die gleichen Steuer- und Beihilferegeln. Statt 100-seitigen Einfuhrformularen sei nur noch eine einzige Transporterklärung nötig, das neue grün-rote Spurensystem verringere Kontrollen um 95Prozent. Gleichzeitig behalte Nordirland ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt der EU. Vom EU-Recht verblieben in Nordirland nur das Mindestmaß zur Garantie der offenen Grenze zur Republik Irland.

Die wichtigste unmittelbare Auswirkung: der kontroverse Gesetzentwurf aus der Ära Boris Johnson, mit dem das Vereinigte Königreich bei Bedarf Teile des Nordirland-Protokolls für ungültig erklären könnte, wird nun überflüssig, wie Sunak betonte. Am Dienstag erklärte Sunak bei einem Blitzbesuch in Belfast, der neue Deal mache Nordirland besonders attraktiv für Investoren. Mit seinem freien Zugang zu Großbritannien sowie zum europäischen Binnenmarkt sei es nun „die aufregendste Wirtschaftszone der Welt“.

Labour-Oppositionsführer Keir Starmer begrüßte das Abkommen bei der Unterhausdebatte am Montagabend und gab an, dass Labour bei einer parlamentarischen Abstimmung dafür stimmen werde. Als Starmer dies sagte, ließ Sunaks Gesichtsausdruck Erleichterung erkennen, denn die Rückendeckung Starmers garantiert die Annahme des Abkommens im Parlament auch dann, falls Tory-Abweichler sich dagegenstellen.

Als Keir Starmer das Abkommen begrüßte, ließ Sunak Erleichterung erkennen

Ex-Premierministerin Theresa May erklärte, das Abkommen sei im besten Interesse Nordirlands. Der ehemalige Brexitminister David Davis nannte die Verhandlungen gar „spektakulär“. Ex-Premier Boris Johnson fehlte im Unterhaus.

Das größte Lob kam von einer Person, von der zuvor noch ein Rücktritt für möglich gehalten worden war: Nordirlandminister Steve Baker, einst gleich zweimal Vorsitzender der euroskeptischen Interessengruppe European Research Group (ERG) in der konservativen Parlamentsfraktion. Schon am Montagmorgen sprach er von einem „fantastischen Deal“. Dann pries er Sunak im Parlament und endete den Tag mit einem Kommentar im konservativen Daily Telegraph: „Es ist Zeit, die Meinungsverschiedenheiten hinter uns zu lassen und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.“

Und doch gab sich eine kleine Minderheit skeptisch, darunter der derzeitige ERG-Vorsitzende Mark Francois, der Sunak schlicht fragte, ob im Text nicht irgendwo Überraschungen steckten. Sir Edward Leigh vom rechten Flügel der Tories warnte, der neue Deal sei sinnlos oder gar gefährlich, es sei denn, er führe dazu, dass die nordirische Regierung wieder ihre Arbeit aufnehme: „Viele Kollegen beobachten die DUP aufs genauste, und wir werden dorthin gehen, wo sie hingehen.“ Wobei sie das derzeit noch gar nicht zu wissen scheinen.

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