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Die Kugel ist das letzte Mittel

Umweltverbände, Weidetierhalter:innen, Wissenschaft: Am Donnerstag lädt die rot-grüne Regierung in Niedersachsen ein, um über das Zusammenleben mit dem Wolf zu sprechen

Von Reimar Paul

Hitzig und teils polemisch verlief in den vergangenen Jahren in Niedersachsen die Diskussion über den Umgang mit Wölfen. Mehrmals mussten Gerichte über die Rechtmäßigkeit erteilter Abschussgenehmigungen entscheiden. Nun will die neue rot-grüne niedersächsische Landesregierung die Debatte versachlichen. Das Umweltministerium hat deshalb viele der mit diesem Thema befassten Organisationen für Donnerstag zu einem Runden Tisch gebeten.

Für die Regierung nehmen Umweltminister Christian Meyer und Agrarministerin Miriam Staudte (beide Grüne) teil. Eingeladen sind unter anderem Weidetierhalter:innen, Umweltverbände und Wissenschaftler:innen. Das Landvolk Niedersachsen geht mit der Forderung nach wolfsfreien Gebieten und einer „Obergrenze“ für Wölfe in die Gespräche.

„Beim Thema Wolf und Weidetierhaltung hat in der Vergangenheit kein sachlicher Dialog mehr stattgefunden“, konstatiert Meyer. „Wir wollen das ändern.“ Das Ziel dieser und weiterer Veranstaltungen sei, die Tier­hal­te­r:in­nen bei Prävention und Herdenschutz besser zu unterstützen. „Wir haben gemeinsam ein Interesse an guter Zusammenarbeit und Stärkung der Weidetierhaltung“, betont Meyer gegenüber der taz. Klar sei aber auch: „Der Wolf ist eine heimische Art und wird nicht wieder ausgerottet.“

Es müsse also ein Nebeneinander zwischen Wolf und Weidetieren gefunden werden. Einfache Lösungen gebe es da nicht, Populismus sei „fehl am Platz“. Gezielte Entnahmen von „Problemwölfen“ blieben schwierig, wie mehrere Gerichtsurteile gezeigt hätten: „Auch hier gilt die neue Transparenz, dass Abschussgenehmigungen nicht mehr geheim bleiben, sondern rechtsstaatlich überprüft werden können.“ Meyer erwartet „dann aber auch von allen Seiten, dass Gerichtsurteile pro oder kontra Entnahmen akzeptiert würden“.

Zuletzt hatte am Dienstag das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dass die Abschussgenehmigung für einen als „Problemwolf“ identifizierten – und für den Riss eines Ponys der Familie von EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen verantwortlich gemachten – Wolfsrüden aus dem bei Burgdorf ansässigen Rudel zu Recht erteilt wurde. Erfolg hatten Tierschütze­r:in­nen hingegen mit Blick auf zwei Bestimmungen der Genehmigungen, die auch die Tötung weiterer Wölfe des Burgdorfer Rudels erlaubten. Diesem Ansinnen erteilte das Gericht eine Absage. Praktische Konsequenzen hat das Urteil zunächst ohnehin nicht, da die Abschussgenehmigung Ende Januar auslief.

Agrarministerin Staudte bezeichnet den Start des Dialogforums als „wichtigen Schritt zu einem dauerhaften und transparenten Austausch“. Die Landesregierung wolle alles dafür tun, dass die Haltung von Tieren auf der Weide möglichst konfliktarm gelingen könne. „Mir erscheint es wichtig, Unterstützungsstrukturen zu schaffen, damit Tierhaltende, die von einem Wolfsriss betroffen sind, sofort praktische Akut-Hilfe erhalten“, sagt die Ministerin zur taz. „Tiere sind getötet, andere verletzt, der Zaun muss repariert werden und die Wahrscheinlichkeit, dass der Wolf in den nächsten Nächten wiederkommt, ist groß. In einer solchen Situation braucht man konkrete Unterstützung vor Ort.“

„Tiere sind getötet, andere verletzt, der Zaun muss repariert werden. In solchen Situationen braucht man Unterstützung“

Miriam Staudte, Agrarministerin Niedersachsen

Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers bekräftigte gegenüber der taz die Forderung seines Verbandes nach „wolfsfreien Zonen“ und zwar „dort, wo ein Herdenschutz unzumutbar ist und deshalb Weidetiere nicht geschützt werden können“. Zugleich solle es eine Obergrenze für die Anzahl wild lebender Wölfe geben: Wildbiologen sprächen von einem akzeptablen Bestand in Niedersachsen von 400 bis 500 Wölfen. „Diese Größenordnung haben wir im letzten Jahr erreicht.“ In Niedersachsen waren im dritten Quartal des vergangenen Jahres 49 Wolfsterritorien bestätigt – 44 Rudel und fünf Einzelwölfe.

Der Naturschutzbund verlangt hingegen, dass bei den anstehenden Gesprächen „nicht über eine Jagd des Wolfes oder eine Änderung seines Schutzstatus diskutiert wird“. In den Fokus gestellt gehöre stattdessen der Herdenschutz. Es sei dringend notwendig, dass in Herdenschutzmaßnahmen investiert und Weidetierhaltende finanziell unterstützt würden. Gleichzeitig müsse es eine intensive Beratung vor Ort und vor allem Hilfen bei den erhöhten Unterhaltungskosten geben. Entschädigungen von Wolfsrissen und anfallende Materialkosten müsse das Land möglichst unbürokratisch und schnell zur Verfügung stellen, „damit das Zusammenleben mit dem Wolf erleichtert wird“. Die Akzeptanz für den Wolf könne nur durch sachliche und fachlich richtige Aufklärung erfolgen.

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