Buch über Brecht und die Frauen: Auf den könnt ihr nicht bauen
Brechts Beziehungen zu Frauen sind ein tiefes Gewässer. Zum 125. Geburtstag hat Unda Hörner darüber ein unterhaltsames Buch geschrieben.
Bertolt Brecht und seine Frauen – darüber wurde schon viel geschrieben. Seine notorische Untreue, sein Lavieren mit Unwahrheiten zwischen mehreren Liebesbeziehungen, seine anmaßende Eifersucht: Brechts Biografie liefert reichlich Stoff für moralische Empörung.
Mehr aber noch für eine Kritik an den Privilegien von Männern im Literaturbetrieb der Moderne, an der Ungerechtigkeit, dass er, Bertolt Brecht, als Autor lange den alleinigen Ruhm und den Lohn für das einheimste, was er doch oft kollektiv und kreativ mit seinen Geliebten und Co-Autorinnen in der gemeinsamen Schreibwerkstatt erarbeitet hatte.
Skrupellos, so beschreibt er sich selbst und sieht dies als junger Mann in den 1920ern auch als das Recht eines, der sich für ein antibürgerliches Leben entschieden hat. Brecht, der aufbegehrende Künstler, war ihm immer wichtiger als Brecht, der Liebende oder Brecht, der Vater. „Und ich kann nicht heiraten. Ich muss Ellbögen frei haben, spucken können wie mir’s beliebt, allein schlafen, skrupellos sein.“
Uneheliches Kind und zwei Geliebte
So zitiert ihn Unda Hörner schon im ersten Kapitel ihres Buches „Brecht und die Frauen. Gefährtinnen, Geliebte, gute Geister“, das pünktlich zum 125. Geburtstag erschienen ist. Da ist er knapp über zwanzig, hat ein uneheliches Kind und zwei junge Geliebte, die er voreinander verheimlicht.
Unda Hörner: „Brecht und die Frauen. Gefährtinnen, Geliebte, gute Geister“. Verlag ebersbach & simon, Berlin 2023, 144 Seiten, 20 Euro
Unda Hörners Buch ist keine feministische Abrechnung. Aber sie sucht auch keine Beschönigung der Unzuverlässigkeit des Dichters, der in seiner Kunst damit sogar noch kokettierte: „In meine leeren Schaukelstühle vormittags / Setze ich mir mitunter ein paar Frauen / Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen / In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen“.
Hörners Empathie gilt den Mädchen, jungen Frauen und Künstlerinnen, die so oft mehr erwarten von Brecht, als sie bekommen werden. Ihre Bewunderung gilt vor allem Helene Weigel, Schauspielerin und dann doch langjährige Ehefrau und Partnerin, die nicht nur seine Kunst mit ihrer Kunst förderte, sondern oft auch noch die ihrer Konkurrentinnen.
Lust am Unbotmäßigen
Der Ton der Autorin Unda Hörner ist leicht. Sie amüsiert sich und damit auch die Leser:innen mit ihren historischen Figuren. Wie Brecht die Frauen umwirbt und die Frauen ihn: Darin schimmert auch eine Lust am Unbotmäßigen und eine Kraft auf, die das Geliebt-werden-Wollen ja nicht zuletzt oft erfolgreich produktiv in die Kreativität umlenkte. Die Arbeitsbeziehungen erwiesen sich teils als stabiler denn die Liebesbeziehungen.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut, die Geliebten geben den Kapiteln Namen, was allerdings, je mehr es zu gleicher Zeit werden, kompliziert wird. Wie die Perlen auf einer Schnur sind ihre Namen aufgereiht, kreisend um den Fixstern Brecht: Die Jugendlieben Paula Banholzer und Marianne Zoff, die Künstlerinnen Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, von der Inspiration und Stoff zur „Dreigroschenoper“ kamen, Margarete Steffin und Ruth Berlau, die im Exil in Dänemark zu ihm stieß und ihn dort unterstützte. Auch gerade in den schweren Jahren, als der Nationalsozialismus die Exilierten immer weiter vor sich her trieb, bildeten die Kontakte der Frauen ein hilfreiches Netzwerk aus.
Managerin und Marketing-Assistentin
Auf ihrem Anteil an Brechts Werk liegt der Fokus des Buchs. Helene Weigel als Schauspielerin machte nicht nur seine Stücke berühmt, sondern hielt ihm mit viel Disziplin und eigenem Leid auch in vielen Dingen den Rücken frei. Elisabeth Hauptmann war nicht nur Co-Autorin, sondern auch Managerin und Marketing-Assistentin, die selbst in Zeiten der Emigration, als sie zeitweise aus seiner Entourage verbannt war, weiter für ihn Kontakte zu Verlagen knüpfte. Auch mit Ruth Berlau schrieb er zusammen. Sie begann in den USA ein Brecht-Archiv aufzubauen, lernte fotografieren, um Brechts Theater zu dokumentieren, und folgte ihm und Weigel nach Berlin 1948, sehr zu Weigels Missvergnügen.
Doch das Buch hat ein Dilemma: Jede der Frauen wäre eine nähere Betrachtung wert, doch die Geschichte einer jeden ist an ihrer Beziehung zu Brecht festgemacht. Unda Hörner bemüht sich zwar, von beinahe jeder auch über ihre emanzipatorischen Leistungen zu erzählen, die sie überhaupt erst ins Kunstmilieu gebracht haben, und über die Stärke, die sie in diesem vom Nationalsozialismus überschatteten Leben brauchten.
Aber auf knapp 140 Seiten Text, der gelegentlich auch etwas atemlos wird und fast in Telegrammstil verfällt, um auch den historischen Hintergrund zu skizzieren, bleibt dann doch nicht viel Raum. Für die letzte Geliebte, die Schauspielerin Isot Kilian, dann sogar nur wenige Zeilen.
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