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Die Grenzen der Vertragsfreiheit

Auch freie Jour­na­lis­t:in­nen dürfen im Rahmen stabiler Geschäftsbeziehungen wegen ihrer Homosexualität nicht diskriminiert werden, entschied der EuGH

Von Christian Rath

Der EU-weite Schutz vor Diskriminierung gilt auch für Freelancer, die dauerhaft Aufträge ausführen. Das hat am Donnerstag der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Polen entschieden. Ein freiberuflicher Videojournalist, der wegen seiner Homosexualität nicht mehr beschäftigt wurde, kann jetzt zumindest auf Schadenersatz hoffen.

Konkret ging es um den freiberuflichen Journalisten J. K., der von 2010 bis 2017 für Telewizja Polska (TVP), die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Polens, arbeitete. Er erstellte für das erste Fernsehprogramm sogenannte Trailer, also kleine Ankündigungsfilme zur Bewerbung der kommenden Sendungen. Dabei erhielt er jeweils einmonatige Dienstverträge.

Zum Konflikt kam es, als K. vor Weihnachten 2017 ein Video in eigener Sache erstellte. Unter dem Titel „Liebt uns zu Weihnachten“ veröffentlichte er mit seinem Lebensgefährten auf der Videoplattform Youtube ein Musikvideo, das zur Toleranz für gleichgeschlechtliche Paare aufrief. Zwei Tage später teilte ihm sein Vorgesetzter mit, dass die bevorstehende Dienstwoche gestrichen sei. Und auch in der Folgezeit erhielt K. keinen neuen Vertrag mehr.

Zum Konflikt kam es, als der Journalist J. K. in einem Video zu Toleranz für gleichgeschlecht-liche Paare aufrief

Für K. war klar, dass dies eine Reaktion auf sein Weihnachtsvideo war. Er klagte deshalb vor einem Warschauer Gericht auf umgerechnet 10.600 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Diskriminierung. Er berief sich dabei auf das polnische Gleichbehandlungsgesetz, das wiederum auf eine EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aus dem Jahr 2000 zurückgeht. Der Fernsehsender wollte jedoch nicht zahlen und pochte auf seine Vertragsfreiheit. Das polnische Gericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, damit er das Verhältnis von Vertragsfreiheit und Diskriminierungsschutz kläre.

Der EuGH entschied nun, dass die EU-Richtlinie auch in diesem Fall anwendbar ist, denn sie schütze auch den Zugang zu „selbständiger Erwerbstätigkeit“. Erfasst seien damit zwar keine punktuellen Verträge wie bei der Lieferung von Waren oder der Erbringung einzelner Dienstleistungen. Wenn aber „Rechtsbeziehungen“ bestehen, die von einer „gewissen Stabilität“ geprägt sind, dann gelte auch der Diskriminierungsschutz der EU-Richtlinie. Der EuGH verwies darauf, dass K. über sieben Jahre hinweg immer wieder neue Kurzverträge erhielt.

Die polnische Regierung verwies im EuGH-Verfahren allerdings darauf, dass der von der EU-Richtlinie vorgesehene Schutz vor „Entlassung“ nicht auf Selbständige passe. Doch der EuGH entschied, dass der Begriff „Entlassung“ in der Richtlinie nur beispielhaft genannt sei. Die Nichtverlängerung von Verträgen könne einen Freiberufler in eine ähnlich „schwierige Situation“ bringen.

Schließlich verwies Polen noch auf einen Passus im dortigen Gleichbehandlungsgesetz, der die freie Wahl des Vertragspartners schützt und eine Diskriminierung nur aus Gründen des Geschlechts, der „Rasse“, der ethnischen Herkunft und der Nationalität verbietet. Deshalb dürfe ein Vertragspartner durchaus wegen seiner sexuellen Ausrichtung abgelehnt werden. Der EuGH entschied aber, dass diese Klausel des polnischen Gesetzes gegen die EU-Richtlinie verstößt und daher nicht angewandt werden darf. Der Schutz der Vertragsfreiheit sei zwar wichtig, aber auch ausreichend gewährleistet, wenn nicht nach der sexuellen Orientierung diskriminiert werden kann.

Ob und wie viel Schadensersatz der Videojournalist nun bekommt, muss jetzt noch das Gericht in Warschau entscheiden.

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