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Lizenz zum Gelddrucken?

Kritik an Gesundheitsminister Lauterbachs Plänen gegen Medikamentenmangel

Von Tanja Tricarico

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist wild entschlossen, den aktuellen Mangel an Kindermedikamenten schnell zu beseitigen. Doch taugen seine Vorschläge, um erkrankten Kindern schnell zu helfen? Für Kathrin Vogler, Sprecherin für Gesundheitspolitik der Linksfraktion, kommen die Maßnahmen Lauterbachs viel zu spät, „um die aktuelle Lage noch beeinflussen zu können“, sagte sie der taz. Bis ein Gesetz vorläge, dürfte die aktuelle Erkrankungswelle vor allem bei Kindern schon wieder im Abklingen sein.

Erst am Dienstag hatte Lauterbach ein Eckpunktepapier vorgestellt, das die Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten bekämpfen soll. Im Kern will der Gesundheitsminister weg von den Rabattverträgen für die Arzneimittel, weil sie nur dazu führen, dass der Verkauf in Deutschland nicht mehr attraktiv ist. Krankenkassen sollen künftig das 1,5-Fache des bisherigen Festpreises für bestimmte Kinderarzneimittel erstatten können.

Lauterbach sprach von einem „Weihnachtsgeschenk“ für die erkrankten Kinder. Vogler vermutet, dass die Pharmaindustrie durch das geplante Gesetzgebungsvorhaben möglicherweise eine Lizenz zum Gelddrucken bekommt. „Statt die Rabattverträge, die mit zu der Konzentration auf dem Generika-Markt geführt haben und damit immer wieder für Lieferengpässe verantwortlich sind, komplett fallen zu lassen, sollen sie nun durch eine,EU-Komponente' ergänzt werden.“ Damit dürften Hersteller aus der EU fast unbegrenzte Preisforderungen gegenüber den Krankenkassen durchsetzen können, ohne dass sie selbst zu mehr Kostentransparenz verpflichtet würden.

Auch Haus­ärz­t:in­nen und Apo­the­ke­r:in­nen sind skeptisch. „Die Lieferengpässe sind in den Hausarztpraxen sehr deutlich zu spüren“, sagte Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, der Rheinischen Post. „Die Hausärztinnen und Hausärzte müssen inzwischen sehr viel Zeit investieren, um, sofern dies überhaupt möglich ist, Medikationen umzustellen.“ Ähnlich sieht das der Apothekerverband Nordrhein. „Es wird viele Monate dauern, bis die Versorgungssituation besser wird. Wir gehen davon aus, dass die Lieferprobleme auch 2023 anhalten und noch weitere Arzneimittel betroffen sein werden“, sagte Verbandschef Thomas Preis.

Gegenüber der taz forderte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen die Aufsichtsbehörden auf, bei Großhandel und Apotheken genauer hinzuschauen. In Krisen müssten knappe Ressourcen systematischer verteilt werden, um bei Medikamenten eine bestmögliche Verteilung und Versorgung zu gewährleisten. „Auch das gehört zum erforderlichen Notfallmodus.“ Vogler bezweifelt allerdings, dass Gesundheitsämter für diese komplexe Aufgabe ausreichend ausgestattet seien, nachdem der öffentliche Gesundheitsdienst jahrzehntelang heruntergefahren wurde. So sind in Nordrhein-Westfalen die Gesundheitsämter für die Apothekenaufsicht zuständig.

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