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Irans Regime richtet Demoteilnehmer hin

Er ist der erste von vielen, denen die Todes­strafe drohte: Innerhalb weniger Wochen wurde ein 23-Jähriger abgeurteilt und getötet

„Ich hoffe, den Sturz dieser Tyrannei bald zu sehen“

Badri Chamenei, Schwester des Staatsoberhaupts

Von Jannis Hagmann

Es war zu erwarten, ging aber doch erschreckend schnell: Das iranische Regime hat einen ersten Teilnehmer der aktuellen Proteste hingerichtet. Der 23-jährige Mohsen Schekari wurde am Donnerstagmorgen getötet. Er soll im September an Protesten teilgenommen und bei einer Straßenblockade in Teheran ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einer Machete an der Schulter verletzt haben. Ein Revolutionsgericht hatte Schekari laut Justizbehörde am 1. November wegen „Kriegsführung gegen Gott“ verurteilt. Das oberste Gericht wies die Berufung später ab.

Es ist davon auszugehen, dass Schekari nicht das einzige Todesopfer der iranischen Justiz bleibt. Weitere zehn Todesurteile sind im Zusammenhang mit den Protesten bereits gefallen. Amnesty International hatte Mitte November 21 Fälle von Pro­test­teil­neh­me­r*in­nen dokumentiert, die vor Revolutionsgerichten angeklagt waren und denen die Todesstrafe drohte. Am Dienstag erst waren fünf Todesurteile gegen Demonstrierende bekannt geworden. Ihnen wird die Tötung eines Mitglieds der Basidsch-Miliz vorgeworfen. Von unabhängiger Seite können Vorwürfe wie diese meist weder bestätigt noch widerlegt werden. Die Basidschis sind Teil der iranischen Revolutionsgarden und die Regierung setzt sie unter anderem zur Niederschlagung von Protesten ein.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte am Donnerstag den Prozess gegen Schekaris als „perfides Schnellverfahren“. Der Führung in Teheran warf sie grenzenlose Menschenverachtung vor. Auch Frankreichs Regierung verurteilte die Hinrichtung scharf. Deutschland und Frankreich gehören zu den Staaten, die sich jahrelang und mit viel diplomatischem Aufwand für das mittlerweile völlig gescheiterte Atomabkommen mit Iran eingesetzt hatten. Es sollte Iran auf der einen Seite von der Entwicklung von Atomwaffen abhalten, andererseits wirtschaftliche Interessen im Blick haben, um im großen Maßstab Handel mit Iran zu ermöglichen.

Der aktuelle Aufstand in Iran hält mittlerweile seit fast drei Monaten an. Diese Woche kam es erneut zu Protesten und Streiks in vielen Teilen des Landes. Am Mittwoch boykottierten Studierende Vorlesungen. Auch protestierten Studierende gegen den Besuch des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi an der Universität in Teheran, bis Einsatzkräfte sie zurückdrängten. Jedoch lässt sich kaum beurteilen, ob die Bewegung gegen die Regierung an Fahrt aufnimmt oder verliert.

Bemerkenswert ist, dass der ehemalige iranische Präsident Mohammad Chatami die Protestbewegung lobte. Das Motto des Aufstands „Frau, Leben, Freiheit“ bezeichnete er als „schöne Botschaft, die den Weg in eine bessere Zukunft weist“. Wie die iranische Nachrichtenagentur Isna berichtete, sprach er sich dagegen aus, den Protestierenden mit Repression zu begegnen. Auch Badri Hosseini Chamenei, die Schwester des sogenannten Revolutionsführers Ali Chamenei, stellte sich am Mittwoch hinter die Proteste: In einem von ihrem Sohn in Paris auf Twitter veröffentlichten Brief verurteilte sie die „despotische“ Führung ihres Bruders. Badri Chamenei war mit einem Oppositionellen verheiratet und hatte in der Vergangenheit das Land verlassen. Wo sie sich aktuell aufhält, ist unklar.

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