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orte des wissensEin kritischer Blick auf „Schöner Wohnen“

Das Mariann Steegmann Institut forscht zum Thema „Kunst und Gender“ und ist selbst eine kleine Bremer Rarität

Wie etwas so scheinbar Privates, Individuelles wie das Wohnen dann doch immer gesellschaftlich vermittelt, überformt, eingerichtet und zugerichtet wird – das sagt Kathrin Heinz –, ist der Hauptgegenstand ihrer Forschung und Lehre. „wohnen+/-ausstellen“ heißt das Forschungsfeld am Mariann Steegmann Institut (MSI) in Bremen und die Frage „Was machen die da eigentlich?“ ist eine, die sie durchaus öfter hört, räumt Geschäftsführerin Heinz ein.

„Privat – bitte eintreten!“ hat ihre Co-Chefin Elena Zanichelli das in ihrer Dissertation griffig formuliert. Auch ihre Arbeit kreist darum, was im Wohnen gezeigt wird. Wie Wohnzeitschriften mit Einrichtungstipps und dem Zeigen idealer Wohnräume Be­woh­ne­r*in­nen und Le­se­r*in­nen als sozial und politisch Agierende, vergeschlechtlichte und konsumierende Subjekte adressieren und herausfordern.

Im Januar veranstaltete das Institut beispielsweise eine Konferenz zum Thema „Das Jagdzimmer“. Daran lässt sich gut ablesen, welche Funken das schlagen kann, wenn man so scheinbar Alltägliches unter die kunst- und kulturwissenschaftliche Lupe legt. In dem muffigen und verstaubten Jagdzimmer entstehen dann nämlich hochspannende Fragen: Wer sammelt hier eigentlich welche Trophäen und warum? Welches Bild von Männlichkeit wird hier in Szene gesetzt? Welcher Bogen führt vom Jagdzimmer im Schloss der frühen Neuzeit über die Schreibstube des Hochstaplers Karl May zur naturkundlichen Sammlung eines Museums oder der Wirtshausstube im Heimatfilm? Was hat das alles mit Kolonialismus zu tun oder der Art und Weise, wie „Natur“ gesehen wird?

Forschungs­salon „Architektur/Feminismus“ des Mariann Steegmann Instituts in der Ausstellung „Architektur für alle“: bis 12. 3. 2023, Bremen, Wilhelm Wagenfeld Haus, Am Wall 209; https://bzb-bremen.de/programm/begleitprogramm-architektur-fuer-alle/

Einen „Denk- und Diskursraum“ will das Institut schaffen. Dabei bewegt es sich immer an der Nahtstelle zwischen Forschung und Lehre einerseits, Kunstschaffenden und Kunstwissenschaftlerinnen andererseits. Möglich wird das durch die sehr besondere Konstruktion des MSI. Das ist einerseits ein Drittmittelinstitut, finanziert aus der gleichnamigen Stiftung. In der hat die Namensgeberin, Mariann Stegmann, Psychologin und Erbin einer Kunstsammlung, einen Teil ihres Vermögens angelegt, um damit Frauen in Kunst und Musik zu fördern.

Das tut die Stiftung heute an zwei Orten: An der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover entstand 2006 das Forschungszentrum „Musik und Gender“ (fmg) und an der Uni Bremen 2010 das „Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender“ (MSI), das von Irene Nierhaus gemeinsam mit Kathrin Heinz aufgebaut wurde.

Es widmet sich vor allem der Initiierung von Forschungsvorhaben, der Förderung des wissenschaftlichen Austausches und des Nachwuchses, sowie der Einrichtung einer Studienbibliothek – die vorwiegend Publikationen zum Wohnen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart und zur kunstwissenschaftlichen Geschlechterforschung umfasst. Das Besondere an der Bremer Konstruktion ist die enge Verzahnung und personelle Verknüpfung mit dem „Institut für Kunstwissenschaft – Filmwissenschaft – Kunstpädagogik“ (IKFK) der Uni Bremen. Elena Zanichelli, die 2021 den Platz der mittlerweile emeritierten Irene Nierhaus in der Doppelspitze des Instituts eingenommen hat, ist gleichzeitig Juniorprofessorin für Kunstwissenschaft und Ästhetische Theorie am IKFK.

Die Studienbibliothek umfasst Publikationen zum Wohnen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Heinz und Zanichelli versuchen aber nicht nur, den Transfer zwischen Lehre und Forschung zu gewährleisten, sondern arbeiten auch intensiv daran, die Verbindung zu Ausstellungsstätten in der Stadt (wie dem Künstlerhaus und dem Haus der Wissenschaften) und aktuellen Künstlerinnen zu intensivieren. So gibt es zum Beispiel zur aktuellen Ausstellung „Architektur für Alle?!“ im Wilhelm-Wagenfeld-Haus einen Forschungssalon. Dort wird am 20 Januar die österreichische Kuratorin und Stadtforscherin Elke Krasny zum Thema „Architektur und Sorge tragen“ sprechen. Nadine Conti

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