50.000 Euro für Lützerath

Der Anti-Kohle-Aktivist Marten Reiß wird Wettkönig bei „Wetten, dass …?“ Das Preisgeld soll das Dorf retten

Von Gereon Asmuth

Am Anfang klang es wie ein Witz. Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem von Räumung und Abriss bedrohten Dorf Lützerath hatten ein Video mit einer „Wetten, dass …?„-Persiflage ins Netz gestellt. Darin sprang erst eine Frau erfolgreich über die Braunkohlegrube bei Garzweiler. Dann ging es bei der Außenwette um die Frage, ob x-tausend Leute zusammenkommen, um für den Erhalt des Dorfs zu demonstrieren. Schließlich trat ein „Marten aus Lützerath“ aus einem Holztor und behauptete, wirklich Kandidat bei der ZDF-Show zu sein. Und dass er das Preisgeld von 50.000 Euro für den Wettkönig an die Bewegung geben wolle. All das wirkte wie eine amüsante Aktion von Kommunikationsguerilla.

Doch am Samstagabend tauchte derselbe „Marten aus Lützenrath“ – dank seines auf dem Kopf hochgebundenen Zopfes unverkennbar – tatsächlich bei Thomas Gottschalk im Klassiker der ZDF-Samstagabendshow auf. Und während sich Marten Reiß als 3-D-Grafiker vorstellte, schwenkte die Kamera ins Publikum, wo jubelnde Ak­ti­vis­t:in­nen Schilder mit „Lützerath lebt! Alle Dörfer bleiben“ hochhielten.

Reiß verkündete, auf zwei Tafeln mit je 1.000 Fingerabdrücken binnen einer Minute den einzigen abweichenden erkennen zu könne – was er auch ohne Probleme dreimal erledigte. Anschließend erklärte Reiß, er habe sich schon als Kind für 3-D-Grafiken begeistert, und schob beiläufig ein, dass er regelmäßig 3-D-Scans von Lützerath erstelle, um die Geschichte des Dorfs zu erhalten, das im Zuge des Braunkohleabbaus abgerissen werden soll. Zum Sehen dreidimensionaler Grafiken brauche man einen Kreuzblick, müsse also bewusst schielen – und damit könne man auch Abweichungen wie bei den Fingerabdrücken schnell erkennen.

Als Komoderatorin Michelle Hunziger fragte, was er mit dem Preisgeld machen wolle, sagte Reiß, er werde es zur Rettung seines Dorfs verwenden. Da erklangen „Lützi bleibt!“-Sprechchöre, als wäre dies eine Aktion von Ende Gelände.Und vielleicht waren die üblichen Zu­schaue­r:in­nen schon eingeschlafen, vielleicht hatten sie wie Popsänger Robbie Williams fluchtartig die Show verlassen, vielleicht hatten die Lützerath-Aktivist:innen auch genug Follower mobilisiert: Auch 52 Prozent der An­ruf­e:innen stimmten nicht für die übliche Baggerwette oder den Fahrradakrobaten, sondern für Reiß. Ein Klimaaktivist als Wettkönig.

Gottschalk verkündete mit Blumen in der Hand: „Lützerath ist gerettet“. Leider ist bekannt, dass er des Öfteren Unsinn erzählt. Auf Twitter wurde dennoch gelobt, dass die Show mehr für die Klimabewegung getan habe als die Weltklimakonferenz. Andere sprachen gar von linksradikaler Fernsehgeschichte.