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Nachruf auf Sängerin Gal CostaDie Zauberkraft der Stimme

Die brasilianische Sängerin Gal Costa ist am Donnerstag in Sao Paulo im Alter von 77 Jahren gestorben. Auch als Star blieb sie experimentierfreudig.

Begnadete Sängerin: Gal Costa hier bei einem Konzert in Vigo/Spanien im Sommer 2006 Foto: Miguel Vidal/Reuters

Unter den Tropicalisten war sie die am wenigsten schillernde. In diesem anarchischen Konglomerat aus Provokation, Dekonstruktion, Revolution und Quatsch, wie es von den unermüdlichen Ideenmaschinen Caetano Veloso und Gilberto Gil im Brasilien der 1960er erfunden und auf Touren gebracht wurde, stand Gal Costa für gewisse Normalität.

Sie hielt die Verbindung zum musikalischen Mainstream und machte das Gebräu verdaulich, ja begehrenswert. Ihre Zauberkraft war ihre Stimme und die Art, wie sie sie einsetzte. Damals stand das Land noch unter dem übermächtigen Einfluss des sanft gehauchten Nichtgesangs, wie ihn João Gilberto konzipiert und als Erkennungsmerkmal der Bossa Nova auch weltweit durchgesetzt hatte.

Davor hatte man in Brasilien Vibrato-reich geschmettert, Stimmen mussten sich gegen Orchester und geltungsbedürftige Solisten durchsetzen. Gal Costa wählte einen Mittelweg. Ihre Stimme war makellos, sie konnte leise und intim sein, ohne zu hauchen oder brüchig zu werden. Sie konnte aber auch in den höchsten Lagen durchdringend und kräftig strahlen, ohne jemals schrill oder angestrengt zu klingen – wie in ihrem Signatursong „Meu nome é Gal“ oft zum Konzertfinale vorgeführt.

Wichtige Interpretin

Die 1945 in Salvador da Bahía als Maria da Graça Costa Penna Burgos geborene Sängerin komponierte nicht selbst, blieb aber von ihrem gemeinsamen Albumdebüt „Domingo“ (1967) bis zuletzt wichtigste Interpretin von Songs ihres Mit-Tropicalisten Caetano Veloso. Etliche Stücke überließ er ihr exklusiv und nahm sie nie selbst auf.

Songs wie „Baby“ wurden in ihrer Interpretation weltberühmt. Auch anderen Komponisten widmete sie sich fast wissenschaftlich gründlich: Unsterblich ihre Tributalben an Dorival Caymmi („Gal Canta Caymmi“) und Ary Barroso („Aquarela do Brasil“), auf denen sie Songs der Prä-Bossa-Legenden in eleganten Yacht-Funk transformierte.

Auch als Superstar blieb Gal Costa unberechenbar: Auf ein eher karnevalistisches Album folgte Kammermusik, gab es für ein Telenovela-Titellied Radio-Powerplay, arbeitete sie als nächstes an elektronischen Experimenten. Gal Costa starb am 9. November in São Paulo, wenige Wochen nach ihrem letzten Konzert im Berliner HKW.

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