+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kiew dementiert Terrorliste
Der ukrainischen Regierung zufolge stehe SPD-Politiker Rolf Mützenich auf keiner Terrorliste. Teheran gesteht die Lieferung „einiger“ Drohnen an Russland.
Liste im Netz nicht mehr auffindbar
Das ukrainische Außenministerium hat die Darstellung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dementiert, nach der er in Kiew auf eine „Terrorliste“ gesetzt worden sei. „Die ukrainische Regierung führt keine Terrorliste“, schrieb der ukrainische Außenamtssprecher Oleh Nikolenko am Samstagabend auf Facebook. „Und soviel ich weiß, gibt es in der Ukraine auch kein Verfahren gegen Rolf Mützenich.“ Behauptungen des deutschen Politikers über seine angebliche Verfolgung durch ukrainische Behörden seien „unwahr“.
Mützenich hatte zuvor der ukrainischen Regierung vorgeworfen, ihn schon vor längerer Zeit auf eine „Terrorliste“ gesetzt zu haben. „Ich bin schon irritiert gewesen, dass ich von der ukrainischen Regierung auf eine Terrorliste gesetzt wurde mit der Begründung, ich setze mich für einen Waffenstillstand ein oder für die Möglichkeit, über lokale Waffenruhen auch in weitere diplomatische Schritte zu gehen“, sagte Mützenich am Samstag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin. Er habe deswegen auch Drohungen bekommen.
Das „Zentrum gegen Desinformation des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine“ hatte im Sommer im Internet eine Liste mit mehr als 70 Persönlichkeiten veröffentlicht, auf der auch Mützenich aufgeführt war. Der Vorwurf: Verbreitung von „Narrativen“, die mit russischer Propaganda übereinstimmten. Mützenich sei mit dem Hinweis aufgeführt gewesen, dass er sich für einen Waffenstillstand einsetze. Die Seite lässt sich inzwischen nicht mehr aufrufen. (dpa)
Klitschko schließt Blackout in Kiew nicht aus
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko schließt wegen der Schäden am Energiesystem einen Zusammenbruch der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung in der ukrainischen Hauptstadt nicht aus. Die Bürgerinnen und Bürger sollten Vorräte anlegen und überlegen, zeitweise außerhalb der Stadt unterzukommen, sagte Klitschko am Samstagabend im ukrainischen Fernsehen. Dies sei das schlimmstmögliche Szenario. „Wir tun alles, damit es nicht so weit kommt“, sagte er. „Unsere Feinde tun alles dafür, damit diese Stadt ohne Heizung, ohne Strom, ohne Wasserversorgung dasteht – allgemein: dass wir alle sterben.“
In Kiew lebten derzeit etwa drei Millionen Menschen, darunter 350. 000 Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen der Ukraine, sagte Klitschko. Bei einem Zusammenbruch des Fernwärmesystems bereite sich die Stadt darauf vor, 1000 Wärmestuben einzurichten. Der Ex-Boxweltmeister warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die Ukrainer als Volk vernichten zu wollen. „Putin braucht uns Ukrainer nicht. Er braucht das Gebiet, braucht eine Ukraine ohne uns.“ (dpa)
Alice Schwarzer sieht sich nicht als Putin-Versteherin
Alice Schwarzer hat den Vorwurf zurückgewiesen, eine Putin-Versteherin zu sein. „Jedenfalls wenn es in dem Sinne gemeint ist, dass ich die Sache der Ukrainer verraten würde“, sagte die Frauenrechtlerin der Deutschen Presse-Agentur in Köln. Wenn damit jedoch gemeint sei, dass sie versuche, die Motive des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verstehen, „dann stimmt es sogar“. „Die Motive seiner Gegner muss man immer zu ergründen versuchen. Sonst kann man sich nicht effektiv wehren. Nur drauflosknallen, das kann es nicht sein.“
Schwarzer hatte Ende April einen offenen Brief von 28 Prominenten an Bundeskanzler Olaf Scholz initiiert. Darin appellierten sie an den SPD-Politiker, nicht noch mehr schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Brief sei mittlerweile von fast einer halben Million Menschen unterzeichnet worden, sagte Schwarzer. Mittlerweile sei die Lage noch weiter eskaliert. „Inzwischen ist die Gefahr eines Atomkriegs noch akuter, und Deutschland wäre als Pufferzone zwischen Russland und den westlichen Atommächten besonders gefährdet.“
Sie frage sich auch, was nach dem Krieg mit den Massen von Waffen geschehe, die der Westen derzeit in die Ukraine liefere. Die US-Regierung müsse jetzt unbedingt eine diplomatische Initiative auf den Weg bringen, um einen Waffenstillstand mit Russland zu erreichen. Die einzige Lösung sei ein Kompromiss: „Dass die Ostgebiete bei der Ukraine bleiben, aber eine relative Autonomie haben – wie schon 2015 in dem Kiewer Abkommen beschlossen, aber leider nicht eingehalten wurde.“ (dpa)
Ukraine soll Verhandlungsbereitschaft signalisieren
Die US-Regierung hat inoffiziell die ukrainische Führung ermutigt Bereitschaft zu Verhandlungen mit Russland zu signalisieren. Die Ukraine solle ihre öffentliche Weigerung aufgeben, sich an Friedensgesprächen mit Präsident Putin zu beteiligen, berichtete die Washington Post und zitierte mit den Gesprächen vertraute Personen.
Der Zeitung zufolge ziele das Drängen amerikanischer Beamter nicht darauf ab, die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen, vielmehr sei es ein kalkulierter Versuch Kiew die Unterstützung der Länder zu sichern, deren Bürger einen Krieg über viele Jahre hinweg befürchten. „Die Ukraine-Müdigkeit ist für einige unserer Partner eine echte Sache“, zitierte die Washington Post einen mit der Sache vertrauten US-Beamten. Der Nationale Sicherheitsrat des Weißen Hauses und das Außenministerium reagierten nicht sofort auf Bitten um eine Stellungnahme zu dem Bericht. (rtr)
Kiew: Teheran sagt die Unwahrheit
Die iranische Führung hat nach Einschätzung Kiews Unwahrheiten in eine offizielle Stellungnahme gepackt. Nach dem Eingeständnis Teherans, Kampfdrohnen an Russland geliefert zu haben, warf der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski dem Iran Lügen vor. „Selbst bei diesem Geständnis lügen sie“, sagte der ukrainische Staatschef am Samstag in seiner täglichen Videobotschaft. Die Zahl der von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossenen iranischen Kampfdrohnen übersteige die vom Iran genannten „wenigen“ Drohnen, begründete Selenski seinen Vorwurf.
Der Iran hatte am Samstag erstmals Drohnenlieferungen an Russland eingeräumt. Außenminister Hussein Amirabdollahian sagte, die Islamische Republik habe Russland vor dem Krieg in der Ukraine eine begrenzte Anzahl von Drohnen zur Verfügung gestellt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Waffenlieferungen nach Beginn des russischen Angriffskriegs sowie Bereitstellung von Raketen dementierte der Chefdiplomat jedoch.
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben bereits Hunderte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Schahed-136 abgeschossen. Die ukrainische Militärführung vermutet, dass Russland 2400 solcher Drohnen bestellt hat, mit denen das russische Militär zuletzt verstärkt die ukrainische Energieversorgung angegriffen hat. (dpa)
Scholz fordert von Russland klares Nein zu Atomschlag
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland aufgefordert, den Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine eindeutig auszuschließen. „Es ist nicht erlaubt, es ist unvertretbar, in diesem Konflikt Nuklearwaffen einzusetzen“, sagte Scholz am Samstag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin. „Wir fordern Russland auf, dass es klar erklärt, dass es das nicht tun wird.“ Am Freitag hatte Scholz bei seinem Peking-Besuch gemeinsam mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor einer nuklearen Eskalation gewarnt. Scholz nannte nukleare Drohgebärden Russlands „unverantwortlich und brandgefährlich“. Xi sagte: „Der Einsatz von nuklearen Waffen oder die Drohung damit muss abgelehnt werden.“ (dpa)
Schwere Kämpfe rund um Cherson
Rund um die südukrainische Stadt Cherson haben sich ukrainische Truppen und russische Besatzer am Samstag schwere Kämpfe geliefert. Nach russischer Darstellung seien verschiedene Frontabschnitte in der Region unter schwersten Artilleriebeschuss geraten. An einigen Stellen seien größere Truppenverlegungen und Bewegungen ukrainischer Panzerverbände registriert worden. „Offenbar bereiten die ukrainischen Truppen einen neuen Angriff vor“, spekulierte der von Russland eingesetzte Vize-Verwaltungschef der besetzten Region, Kirill Stremoussow. Auch das ukrainische Militär hatte zuvor von schweren Kämpfen und Artillerieduellen in der Umgebung von Cherson berichtet. (dpa)
Kühlsysteme des AKW Saporischschja wieder an Stromnetz
Die externe Stromversorgung des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist nach zwei Tagen Unterbrechung wieder hergestellt worden. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Samstagabend berichtete, wurden zwei Leitungen repariert. Das von Russland besetzte AKW ist zwar derzeit nicht im Betrieb, doch die Anlage braucht weiterhin Elektrizität zur Kühlung. Die zwei Leitungen waren nach einem Beschuss auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet in rund 60 Kilometer Entfernung von dem AKW beschädigt worden. Die Stromversorgung des größten europäischen Atomkraftwerks wurde bis zur Reparatur mit Notgeneratoren sichergestellt. (dpa)
Selenski will Crowdfunding für Seedrohnen-Flotte
Nach dem Überraschungsangriff ukrainischer Seedrohnen gegen die russische Schwarzmeerflotte in deren Kriegshafen bei Sewastopol auf der Krim will die Ukraine weitere Waffen dieser Art kaufen. „Wir werden in der kommenden Woche noch eine Fundraising-Aktion starten, wir wollen Mittel für eine ganze Flotte von Seedrohnen sammeln“, kündigte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Samstagabend in seiner Videoansprache an. Nach ukrainischer Darstellung wurden bei dem Angriff auf Sewastopol am vergangenen Wochenende drei russische Kriegsschiffe getroffen, darunter das neue Flaggschiff „Admiral Makarow“. Das russische Militär hat lediglich einige leichtere Schäden eingestanden, ohne genauere Angaben zu machen. (dpa)
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