Zwischenwahlen in den USA: Tonnenweise Wahlzettel
Wahltag in den USA: Die sogenannten Midterms finden statt. Doch was wird überhaupt gewählt? Und welche Ergebnisse sind zu erwarten? Ein Überblick.
Am 8. November finden in den USA die Midterms statt. Doch was wird da überhaupt gewählt?
Einerseits die Zusammensetzung des 118. US-Kongresses. Der Kongress besteht aus den 100 Senator*innen – zwei aus jedem US-Bundesstaat – und 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Eine Zweitstimme wie in Deutschland, die den Parteienanteil unter den Sitzen bestimmt, gibt es nicht – es finden ausschließlich Direktwahlen statt.
Außerdem stehen Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten und 3 Überseegebieten an – sowie diverse Wahlen für Staatsparlamente, Stadträte und bundesstaatliche und lokale Posten, von Sheriff bis Schulrat.
In 37 Bundesstaaten wird außerdem über insgesamt 132 Volksentscheide abgestimmt. Im Ergebnis erhalten die Wähler*innen oftmals einen gewaltigen Stoß an sehr langen Stimmzetteln.
Wie wird sich der nächste US-Kongress wohl zusammensetzen?
Geht es nach der Geschichte und Statistik, werden die Demokrat*innen ihre Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses verlieren. Seit 1934 wird bei den Zwischenwahlen zur Hälfte der ersten Amtszeit eines Präsidenten immer die Partei abgestraft, die das Weiße Haus kontrolliert. Im Durchschnitt verliert diese Partei 3 Sitze im Senat und 22 Sitze im Repräsentantenhaus. Im Senat gibt es derzeit ein Patt von 50:50 – nur die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris verschafft den Demokrat*innen eine Mehrheit und dem Senator Chuck Schumer aus New York den Posten des Senatschefs.
Gewinnen die Republikaner*innen also einen einzigen Sitz hinzu, geht dieser Posten an Republikanerchef Mitch McConnell. Im Repräsentantenhaus stehen derzeit 220 Demokrat*innen 212 Republikaner*innen gegenüber (3 Abgeordnete sind kürzlich ausgeschieden). Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass zukünftig nicht mehr die Demokratin Nancy Pelosi, sondern Minderheitsführer Kevin McCarthy die Rolle des Speaker of the House einnehmen wird.
Worum genau geht 's im Senat?
Alle zwei Jahre wird ein Drittel der 100 Senator*innen für eine Amtszeit von sechs Jahren neu gewählt, das sind eigentlich 33 und alle sechs Jahre 34 Sitze – so ein Jahr ist 2022. Von diesen 34 Sitzen werden derzeit 14 von Demokrat*innen und 20 von Republikaner*innen gehalten.
Fünf Republikaner, deren Amtszeit ausläuft, kandidieren nicht noch einmal. Hinzu kommt noch eine Extrasenatswahl in Oklahoma, wo der eigentlich noch bis 2027 gewählte republikanische Amtsinhaber Jim Inhofe seinen Rückzug zum Ende des 117. Kongresses erklärt hat. In einer Special Election wird ein Nachfolger für die verbleibenden vier Jahre gewählt. Eigentlich wäre diese Konstellation extrem günstig für die Demokrat*innen: In sechs republikanisch gehaltenen Senatswahlen gibt es keinen Amtsinhaberbonus.
Doch trotz dieser Konstellation: Wer wird den Senat wirklich gewinnen?
Wahrscheinlich trotzdem die Republikaner*innen, die ja nur einen Sitz dazugewinnen müssen. Während die Umfragen in keinem einzigen Bundesstaat einen Zugewinn der Demokrat*innen erhoffen lassen, könnten diese in Georgia, Arizona und vor allem Nevada verlieren, also bis zu 3 Sitze an die Republikaner*innen abgeben.
Wann stehen die Ergebnisse fest? Bereits Mittwochfrüh?
Nicht unbedingt. Viele tausend US-Amerikaner*innen haben ihre Stimme bereits per Briefwahl abgegeben – doch auch diese Stimmen dürfen in vielen Bundesstaaten erst nach Schließung der Wahllokale gezählt werden. Zudem zählen auch noch Stimmen, die Tage später eintreffen, sofern sie den Poststempel des Wahltags tragen.
Die Auszählung kann also ein paar Tage lang dauern, wenn das Ergebnis einigermaßen eng ist. Wenn die Senatsmehrheit allerdings am Ausgang der Wahl in Georgia hängen sollte, dauert es noch länger: Laut Georgias Wahlgesetz gibt es eine Stichwahl der beiden Bestplatzierten, wenn niemand auf Anhieb über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält. Beide Kandidaten – übrigens mit Herschel Walker als republikanischem Herausforderer des demokratischen Amtsinhabers Raphael Warnock neben Florida eine von zwei Senatswahlen mit Schwarzen Kandidaten auf beiden Seiten – liegen in den Umfragen bei rund 47 Prozent. Die Stichwahl wäre am 6. Dezember.
Und wie verhält es sich im Repräsentantenhaus?
Es müsste ein Wunder geschehen, wenn die Republikaner*innen in der Kammer keine klare Mehrheit erringen würden. Die Umfragen lassen Zugewinne im Bereich zwischen 20 und 50 Sitzen vermuten.
Warum sind die Wahlen in den Bundesstaaten auf nationaler Ebene überhaupt wichtig?
Gouverneure und Parlamente entscheiden über den Zuschnitt der Wahlkreise – und dieses sogenannte Gerrymandering durch die Mehrheit bestimmt die Chancen der Minderheitspartei, gemäß ihrem Stimmanteil Sitze gewinnen zu können. Dazu kommt: In 27 Bundesstaaten werden auch die sogenannten Secretary of State neu gewählt, die für die Durchführung der Wahlen im Bundesstaat zuständig sind.
Diese Position ist im Zuge der Wahlen 2020 erst richtig ins Bewusstsein gerückt, als der abgewählte Donald Trump alles versuchte, um Druck auf die Secretaries of State auszuüben, die Ergebnisse zu seinen Gunsten zu verändern. Auf republikanischer Seite kandidieren diesmal etliche, die Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl öffentlich unterstützen. Was es für die Sicherheit von Wahlen bedeutet, wenn solche Leute für deren Durchführung zuständig sind, ist noch gar nicht abzusehen.
Ist auch bei den Gouverneurswahlen ein Erdrutsch zu erwarten?
Eher nicht. Zumal Gouverneurswahlen tatsächlich häufig von sehr regionalen Themen und von den Persönlichkeiten der Kandidat*innen bestimmt sind. So regiert etwa im eher progressiven Vermont seit 2016 der republikanische Gouverneur Phil Scott, der seine Wiederwahl jetzt mit großer Mehrheit gewinnen dürfte.
Bleibt das Thema Volksentscheide: Worum geht es dabei?
Thematisch steht eine Vielfalt von Themen zur Entscheidung an. In vier Staaten geht es um das Recht auf Abtreibung: Während in Kalifornien, Michigan und Vermont versucht wird, auf diesem Wege das Recht auf Abtreibung in der Verfassung des Bundesstaats zu verankern, soll in Kentucky das Gegenteil aufgenommen werden: die explizite Formulierung, dass es ein solches Recht nicht gibt.
In fünf weiteren Bundesstaaten steht die Legalisierung von Marihuana zu Genusszwecken zur Entscheidung an – was bislang schon in 19 Bundesstaaten erlaubt ist.
In fünf Staaten, nämlich Alabama, Louisiana, Oregon, Tennessee und Vermont, steht eine Überarbeitung der Verfassung auf der Abstimmungsliste: In diesen Staaten – und auch 15 anderen, die das aber derzeit offenbar nicht ändern wollen – lässt der Verfassungstext bislang noch die Versklavung von Menschen als Strafe oder zur Begleichung von Schulden zu. Angewandt wird das freilich schon lange nicht mehr.
Wie verlief der Wahlkampf insgesamt?
Vor allem war er teuer. Nach Angaben der NGO OpenSecrets wurden für alle Wahlkämpfe zusammen 16,7 Milliarden US-Dollar ausgegeben – ein neuer Ausgabenrekord für Halbzeitwahlen. Der teuerste Wahlkampf war dabei mit rund 343 Millionen US-Dollar die Senatswahl in Pennsylvania, wo die Demokrat*innen sich erhofften, nach dem Rückzug des republikanischen Senators Pat Toomey den offenen Sitz erobern zu können, gefolgt von den Senatswahlen in Georgia, wo 245 Millionen US-Dollar ausgegeben wurden. Danach folgen die Senatswahlen in Arizona, Ohio, Wisconsin und Nevada.
An der Art der Wahlkampfführung hat sich nicht viel geändert: Sogenannte negative ads, also Werbespots, die vor allem die Gegenseite schlecht machen, stehen nach wie vor im Vordergrund. Bei den Demokrat*innen hieß das: die Warnung vor den Republikaner*innen und ihrem Anschlag auf Frauenrechte qua Abtreibungsverbot und ihrem ungeklärten Verhältnis zur Demokratie und zur Integrität von Wahlen.
Umgekehrt beschworen die Republikaner*innen die Gefahr von offenen Grenzen, ausbrechendem Sozialismus oder Kommunismus und machten die Regierung Joe Bidens für Inflation und die Sorgen der Mittelschicht verantwortlich. Begleitet von Auftritten des Ex-Präsidenten Donald Trump – der sich mehr in den Wahlkampf eingemischt hatte als je ein nationaler politischer Führer vor ihm –, waren der respektvolle Umgang mit unterschiedlichen Meinungen und die sachorientierte Debatte eher die Ausnahme.
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