Queerfeindlicher Terror in Bratislava: Wenn man weiterfeiern muss
Nach dem LGBT-feindlichen Attentat in Bratislava ist in der Community die Verunsicherung groß. Das Problem ist: Trotzdem muss man weiterfeiern.
W as den Terror von anderen Gewalttaten unterscheidet, ist, dass man ihn hochrechnet. Als die Nachrichten von dem Attentat im Nachtclub Pulse durchdrangen, saß ich in einem Zugwaggon voller Queers. 12. Juni 2016, wir waren auf dem Rückweg von der Pride Parade in Warschau. Europäische Solidarität, Glitterreste und ein bisschen Katerfeierstimmung durchwehten das Abteil. Und dann plötzlich das Geflüster, die ernsten Gesichter. „Hast du gesehen?“ Jemand hatte in der Nacht in einem vorwiegend von LGBT besuchten Club in Orlando in Florida 49 Menschen erschossen.
Rückblickend hätte die Stimmung im Zug schnell kippen können. Klar, Florida ist weit weg und allzu schnelle Betroffenheit der Nichtbetroffenen hilft niemandem. Dennoch: Das Gefühl, „das hätte auch uns treffen können“, stellt sich schnell ein. Und es macht den Terror stark, weil er über die Tat an sich hinaus Wirkung entfaltet. Wir haben dann entschieden, weiterzufeiern. Wahrscheinlich war es das Beste, was wir tun konnten.
Am Mittwochabend hat ein Mann in der slowakischen Hauptstadt Bratislava vor einer queeren Bar zwei Menschen mit Schüssen tödlich verletzt. Ebenfalls schwer verletzt wurde eine dritte Person, eine Mitarbeiterin. Sie überlebte. Der mutmaßliche Täter sei tot, erklärte die Polizei in Bratislava am Donnerstag, man gehe von einem Hassverbrechen aus. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe nicht mehr.
So weit die einigermaßen gesicherten Informationen. Derweil vermeldete das Nachrichtenportal Sme.sk, dass der mutmaßliche Täter sich in sozialen Netzwerken selbst zur Tat bekannt habe, ehe er sich vermutlich selbst tötete. Der 19-Jährige habe in der Nacht nach dem Verbrechen stundenlang Hassbotschaften gegen sexuelle Minderheiten und eine Art Manifest mit homophoben und rechtsextremistischen Inhalten auf Twitter und in einem anderen Netzwerk veröffentlicht. Darin verherrlichte er offenbar andere rechtsextreme Mörder als Vorbilder.
Steigende Angst in der Community
Das ganze Buffet also. Völlig unklar ist, ob das Manifest dem Täter zuzuordnen ist – und, viel schwieriger: ob dieser Mischmasch aus wirrer faschistischer Folklore den Täter zu seiner Tat bewegt hat oder ob er sich nur damit schmücken will. Medien und Ermittler*innen lassen sich Zeit, und das müssen sie. Die Gefahr bei Spekulationen ist, dass die Tat über ihre tatsächliche Wirkung hinaus hochgerechnet wird. Die Folgen: steigende Angst in der Community, Glorifizierung des Täters.
Gleichzeitig ist das Bedürfnis nach Klarheit insbesondere in der ge- und betroffenen Community dringlich, auch das ist verständlich. Gerade Nachtklubs sind oft ein Ort, wo Queers sich sicher fühlen wollen. Es ist auch wichtig, die Gefahr von Nachahmern einzuschätzen. Im Zweifel geht die Sicherheit vor. Deswegen ist es auch richtig, wie im Fall der Schüsse vor einer queeren Bar in Oslo im Juni die Pride Parade abzusagen.
Man muss weiterfeiern
Und doch schmerzt es. Nicht jeder, der in der Lage ist, hasserfüllten Blödsinn aus dem Internet zu copypasten, ist ein Terrorist. Trotzdem kann jede Lusche mit ein bisschen pseudoideologischem Brimborium Angst und Verunsicherung erzeugen. Der Täter von Orlando 2016 konnte sich in seinen eigenen „Manifesten“ nicht mal entscheiden, welcher islamistischen Terrorgruppe er eigentlich anzugehören glaubte. Es wurde sehr schnell klar, dass er über den „Islamischen Staat“ ungefähr so gut Bescheid wusste wie der durchschnittliche Grundschüler.
Das Problem ist, dass man weiterfeiern muss. Das gilt nicht nur für Queers, auch für andere Minderheiten, die vermeintlich symbolisch angegriffen werden. Ein gewisser Trotz à la „Das hätte ich sein können – bin ich aber nicht!“ gehört leider dazu. Schön ist, wenn man mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen wird.
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