: Systemfehler führt zu „Mondpreisen“
Von den gestiegenen Energiepreisen profitiert auch die Produktion „grüner“ Energien
Die Nachfrage sei höher denn je, bestätigt Kai Solinski, leitender Mitarbeiter der BBWind Projektberatungsgesellschaft in Münster. Viele Grundstückseigentümer böten derzeit ihre Flächen für Windenergieprojekte an, überdies gebe es ein sehr großes Interesse an privaten Investitionen und am eigenen Betrieb von Windparks. Winken doch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das 20 Jahre lang feste Einspeisetarife garantiert, verlässliche Renditen von immerhin rund 10 Prozent. „Wer die Möglichkeit hat, engagiert sich, aber der Zugang zur Beteiligung ist ziemlich eingeschränkt“, räumt Solinski ein.
Wer bereits an der Erzeugung von Windstrom beteiligt ist, erlebt momentan einen Goldrausch. Die Händler erzielen an den Spotmärkten aktuell „Mondpreise“ – ein Vielfaches von dem, was das EEG überhaupt garantiert. Der Grund für die „Übergewinne“ liegt hauptsächlich im bestehenden deutschen beziehungsweise europäischen Strommarktdesign, das seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine vollends aus den Fugen geraten ist. Die Gaspreise und die daran gekoppelten Strompreise schossen seit den Kriegshandlungen bis Ende August in ungeahnte Höhen.
Während Stromhändler für die erzeugte Kilowattstunde epochal hohe Preise – ob nun für fossil, atomar oder erneuerbar – erzielen, flattern den Verbrauchern immer höhere Energierechnungen ins Haus. Das sorgt auch in den Reihen der Unternehmen für erneuerbaren Energien, obwohl sie kurzfristig davon profitieren, für Unwohlsein. „Es ist verrückt, wenn wir Windmüller in dieser kritischen Versorgungslage am Ende so beschämend viel kassieren“, so Wolfgang Paulsen, Geschäftsführer von Bürgerwindparks im windreichen Landkreis Nordfriesland.
Da überrascht es nicht, dass die Akteure der erneuerbaren Energien gerade wegen der mittlerweile hohen Erlösmargen auf dem Kongress „Industry meets Renewables“ Mitte September in Husum mit der Energiepolitik während der Ära Merkel abrechneten. Schon lange wurde eine grundlegende Strommarktreform eingefordert, die bei wesentlich niedrigeren Energiepreisen trotzdem einen profitablen Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglicht. Ebenso lange ist die Gasimportpolitik in der Kritik, die jetzt durch einen „Energiekrieg“ vor allem Verbraucher bitter bestraft. „Deshalb ist eine von der EU beschlossene Gas- und Strompreisbremse moralisch zu begrüßen, obschon es eine Operation am offenen Herzen der europäischen Energieversorgung ist“, konstatierte Fabian Sösemann von der GP Joule GmbH, Pionier in Sachen grüner Wasserstoff. Dierk Jensen
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