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Platz machen für Kinder

Am Montag startet für Berliner Erst­kläss­le­rIn­nen die Schule. Vielerorts ist der Schulweg eine Gefahr. Spitzenreiter ist Pankow. Die Inititiave Changing Cities plant Protestaktionen

Von Claudius Prößer

Für rund 37.000 Berliner ErstklässlerInnen ist am Montag der erste Schultag. Für viele Eltern ist der Schulweg ihrer Kinder mit Ängsten verbunden – berechtigten Ängsten, denn immer wieder kommt es zu teils schweren Verkehrsunfällen. Erst im Juli starb ein Fünfjähriger, nachdem er von einem Autofahrer an der Wichertstraße in Prenzlauer Berg erfasst wurde. Viele Mütter und Väter reagieren darauf, indem sie den Nachwuchs mit dem Auto bis vor die Schule fahren – und als „Elterntaxis“ die Probleme nur noch verstärken.

Trauriger „Spitzenreiter“ in Sachen Unfallhäufigkeit ist der Bezirk Pankow: In den Jahren 2019 und 2020 „führte“ der Bezirk bei der Zahl der Unfälle pro 1.000 Kinder. Oda Hassepaß, grüne Fraktionssprecherin für Fuß- und Radverkehr, hatte deshalb auch bereits vergangene Woche, rechtzeitig vor den Einschulungsfeiern am Wochenende, zu einem Fachgespräch „Schulwegsicherheit“ in ihr Pankower Abgeordnetenbüro eingeladen. Das Fazit des Abends: Vor allem bei der Infrastruktur muss viel mehr getan werden – und eigentlich sind die Voraussetzungen dafür längst geschaffen. Wenn zu wenig geschieht, liegt es offenbar mehr an der Trägheit des Systems und seiner AkteurInnen als an strukturellen Hindernissen.

„Eltern und andere Angehörige sollen keine Angst haben, wenn sie Blaulicht auf der Straße sehen“, sagte Hassepaß. Im Schnitt würden im Bezirk Pankow 20 Kinder pro Jahr bei Verkehrsunfällen schwer, 80 bis 90 leicht verletzt. Als Gegenmaßnahme forderte Hassepaß die Einrichtung von „Schulstraßen“ – temporäre Straßensperrungen rund um die Eingänge von Grundschulen. Rot-Grün-Rot hat sie sich sogar in die Koalitionsvereinbarung geschrieben, entstanden sind aber noch keine. „Das muss jetzt losgehen“ – diesen Appell richtete die Abgeordnete an die Bezirke.

Gelder habe die Koalition für entsprechende Maßnahmen ausreichend freigemacht, „das Argument lasse ich nicht mehr gelten“. Auch ein Leitfaden für die Anordnung von Schulstraßen sei bei der Verkehrsverwaltung in Arbeit. Die im Mobilitätsgesetz verankerte Forderung, dass jedes Bezirksamt jährlich an mindestens zehn Stellen Gefahrenquellen beseitigt, um die Schulwegsicherheit zu erhöhen, komme nicht ausreichend zur Anwendung, so die Grüne. Eine parlamentarische Anfrage habe gezeigt, dass das Engagement sehr unterschiedlich ausgeprägt sei: „Da müssen wir noch mehr Druck machen. Wenn es da steht, muss es auch umgesetzt werden.“

Für Ragnhild Sørensen von Changing Cities (CC) eine Steilvorlage, schließlich hat der Verein neben seinen Aktivitäten zur Unterstüzung der Kiezblock-Bewegung gerade erst eine neue Kampagne gestartet: „100 autofreie Schulzonen pro Jahr“ lautet die Forderung.

Im Grunde unterscheidet sich das Konzept dieser Zonen von dem der „Schulstraßen“ nur durch die zeitliche Ausdehnung der Sperrungen – die sollen laut CC jeden Tag vor Unterrichtsbeginn starten und erst nach Schulschluss enden. So könnten die Schulen auch den entstandenen Raum mitnutzen.

Ob die Schulleitungen ihre Schutzbefohlenen tatsächlich aus dem Pausenhof auf die – autofreie – Straße entlassen würden, sei dahingestellt. Sørensen verwies aber auch darauf, dass die meisten der Berliner Grundschulen an Nebenstraße lägen – wo zudem Straßensperrungen weniger aufwendig seien als an Hauptverkehrsstraßen.

Für mehr Schulplätze, für sichere Schulwege

Mehr als 37.000 Berliner Mädchen und Jungen haben am Samstag ihre Einschulung gefeiert. Damit beginnen so viele junge Menschen ihre Schullaufbahn wie seit 2005 nicht. Der Landeselternausschuss warnte am Wochenende vor einem Verlust von Schulplätzen: Es stünde zu wenig Geld für die Sanierung, die Erweiterung und den Neubau von Schulen bereit. Man nehme die Investitionsplanung für Schulsanierung mit großer Sorge zur Kenntnis, hieß es.

15 Schulen nehmen an der Protestaktion von Changing Cities für mehr Schulwegsicherheit teil. Am Mittwoch, 31. August, ab 7.30 Uhr. Alle teilnehmenden Schulen unter changing-cities.org. (taz, dpa)

Wichtig sei, jetzt endlich loszulegen: „Der öffentliche Raum ist kein Raum für Kinder, und das muss sich ändern.“ Mit dem Verteilen von Reflektoren und dem Propagieren von Fahrradhelmen sei es nicht getan, das eigentliche Problem sei die Infrastruktur.

Changing Cities ist für seine öffentlichkeitswirksamen Aktionen bekannt. Diesmal unterstreicht der Verein seinen Appell mit temporären „Schulzonen“ am Mittwoch, die vor insgesamt 15 Schulen als Demonstration angemeldet wurden.

Auf die Frage der taz, ob für Autos gesperrte Bereiche vor Schulen den Elterntaxi-Stau nicht bloß um wenige hundert Meter verschieben würden, kam von Hassepaß ein klares Nein: Der Verkehr werde sich nach einer Übergangszeit massiv reduzieren. „Ich glaube, dass man die Spirale damit durchschneidet“, sagte die Grünen-Abgeordnete.

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