Spielfilm „Geborgtes Weiß“: Sich den Status hart erarbeiten

Regisseur Sebastian Ko führt in seinem zweiten Film die bürgerliche Fassade einer deutschen Familie vor. Und lässt diese langsam bröckeln.

Eine weiße Frau und ein weißer Mann stehen in einem Garten

Susanne Wolff und Ulrich Matthes als gutbürgerliches „heile Welt“-Paar Foto: Farbfilm

Wie ein Kammerspiel wirkt die Figurenkonstellation, die Sebastian Ko in seinem zweiten Kinofilm, „Geborgtes Weiß“, anbietet: Im Zentrum das gutbürgerliche Paar Marta (Susanne Wolff) und Roland (Ulrich Matthes), die in einem geräumigen Haus voller Bücher und anderer Zeichen ihres gesellschaftlichen Status leben. Er ist Schriftsteller und hat augenscheinlich viel Geld, sie ist Ärztin, trägt deshalb oft Weiß, doch unschuldig ist sie keineswegs.

Ein Kind gibt es, Nathan (Elia Gezer), Roland ist nicht der Vater und für Marta bedeutet es alles. Eine heile Welt also, die zerstört wird, natürlich.

Eindringling ist der albanische Wanderarbeiter Valmir (Florist Bajgora), der wie aus dem Nichts auftaucht, erst Marta in einem Baumarkt begegnet und dann von Roland eingestellt wird, erst für eine kleine Reparaturarbeit, dann für länger. Ohne Rechnung, denn wenn es um das eigene Geld geht, ist auch ein bürgerlicher, an der Ordnung der Gesellschaft festhaltender Mann wie Roland moralisch flexibel.

Ebenso, als immer deutlicher wird, dass sich Marta zu Valmir hingezogen fühlt, zumal ihre Ehe mit dem älteren Roland nicht mehr körperlich ist, sondern vor allem als bürgerliches Konstrukt existiert, in dem man es sich gemütlich eingerichtet hat, das den Erwartungen von Freunden und Kollegen entspricht.

Der bürgerlichen Welt den Spiegel vorhalten

Etwas gewollt ist dieses Konstrukt, das Sebastian Ko zusammen mit seiner Autorin Karin Kaçi entwirft, durchschaubar in seiner Intention, der bürgerlichen Welt den Spiegel vorzuhalten.

„Geborgtes Weiß“. Regie: Sebastian Ko. Mit Susanne Wolff, Ulrich Matthes, Florist Bajgora u. a. Deutschland 2020, 99 Min.

Ein wenig von oben herab behandelt Roland etwa Valmir, mit aufgesetzter Jovialität, jenem typischen Verhalten eines Kopfmenschen gegenüber einem Mann, der mit seinen Händen, mit seiner Physis Geld verdient. Wenn Roland Valmir einmal einlädt, an einem Abendessen mit Freunden teilzunehmen, wirkt es, als würde ein exotisches Wesen vorgeführt, als versichere sich das Bürgertum seiner Überlegenheit.

Viel spannender wird „Geborgtes Weiß“, wenn sich nach und nach herausstellt, auf welche Weise Marta und Valmir und vor allem das Kind verbunden sind. Dunkle Geheimnisse kommen zum Vorschein, wird deutlich, dass auch Marta in jüngeren Jahren eher auf einer Stufe mit einem Menschen wie Valmir stand, sich ihren Status, ihr perfekt wirkendes Leben hart erarbeitet hat – nicht immer mit legalen Methoden.

Als Neo-Noir möchte Ko seinen Film verstanden wissen, als moderne Variation jenes Genres, das stets moralisch ambivalente Figuren zeigte und visuell mit markanten Schattenspielen den psychologisch fragilen Zustand seiner Figuren spiegelte. „Geborgtes Weiß“ dagegen ist über weite Strecken ein sehr deutsches Drama, in dem mehr gesagt als gezeigt wird, eine Versuchsanordnung, deren Intentionen weniger Subtext als Text sind.

Scheinheiligkeit gegenüber Migranten

Überdeutlich erzählen Ko und Kaçi von der Scheinheiligkeit der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. In dieser Welt ist ein Migrant als abstraktes Konstrukt akzeptabel, als Wesen, das mittels Spenden und der Wahl der passenden Politiker unterstützt wird.

Aber wenn so ein Migrant in Fleisch und Blut in das wohlgeordnete Leben eindringt und womöglich Intentionen hat, die nicht dem akzeptierten Narrativ entsprechen, sieht das schon ganz anders aus. Gut gemeint ist diese Erzählung, aber weniger Film Noir als moralische Lehrstunde.

In Erinnerung bleiben am Ende dann in erster Linie die Schauspieler. Weniger Ulrich Matthes, der oft allzu theatralisch deklamiert, als Susanne Wolff. Mit zunehmender Intensität spielt sie eine Frau, ein „Muttertier“, deren perfektes Leben vor ihren Augen zerstört wird – und die am Ende alles tut, um ihr Kind zu schützen, vor allem aber sich selbst.

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