Joe Bidens Reise nach Saudi-Arabien: Schaurige Verbündete
Der US-Präsident musste in Dschidda über den eigenen Schatten springen. Pragmatismus wog schwerer als seine ideologischen Überzeugungen.
D ie Reise von US-Präsident Joe Biden nach Dschidda kann aus dreierlei Perspektiven als schlechte Nachricht betrachtet werden: aus palästinensischer, aus iranischer und aus menschenrechtlicher. Aus pragmatischer Sicht aber war es der richtige Schritt.
Dass ausgerechnet Saudi-Arabien einer Annäherung an Israel zustimmt, muss für die PalästinenserInnen bitter sein, war es doch der frühere saudische Kronprinz Abdallah, der vor zwanzig Jahren ein Friedensangebot auf den Tisch legte, mit dem der israelisch-arabische Konflikt als Gesamtpaket beendet werden sollte. Alles oder nichts. Nun aber reiht sich Riad doch ein in die Liste der arabischen Länder, die Israel die Hand reichen, ohne dabei die Besatzung im Blick zu haben.
Tatsächlich können die PalästinenserInnen nur gewinnen. Bei erneuten Friedensverhandlungen kann die PLO auf die Rückendeckung Riads vertrauen. Und der Einfluss eines Verbündeten ist allemal größer als der eines Staats, mit dem kein Abkommen besteht. Israel freut sich verständlicherweise. Schon im Vorfeld der Biden-Reise öffnete Kronprinz Mohammed bin Salman den Luftraum.
Damit verkürzen sich die Reisezeiten von Tel Aviv nach Fernost, und auch die Luftwaffe dürfte neue, machbarere Routen für den Ernstfall, den sogenannten Präventivangriff auf iranische Nuklearanlagen, berechnen. Das Prinzip: Der Feind meines Feindes ist mein Freund funktioniert mit Blick auf Israel und Iran. Richtet sich der saudische Blick hingegen auf Ramallah, dann verschieben sich die Fronten. Israel wird dann wieder zum Feind des Freundes.
Gute Gründe, keinen Kontakte zu Riad zu unterhalten, gibt es nicht erst seit dem Mord an Jamal Khashoggi. Öffentliche Enthauptungen, Auspeitschen, Amputationen, die massive Diskriminierung von Frauen, der Krieg im Jemen. Biden versprach einst, Saudi-Arabien zum Pariastaat zu machen, aber die Welt ist nicht schwarz-weiß, und wer Einfluss nehmen will, kann sich einen Boykott nicht leisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht