Protest und Polizei wappnen sich

Vor dem G7-Gipfel in Elmau warnt Innenministerin Nancy Faeser vor „gewaltbereiten Chaoten“. Die protestierenden Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ke­r:in­nen und Um­welt­schüt­ze­r:in­nen hoffen dagegen auf bunte Demonstrationen

Ob mit Pferden oder im Helikopter: Die Polizei wird beim G7-Gipfel omnipräsent sein Foto: Angelika Warmuth/dpa

Von Susanne Schwarz
und Konrad Litschko

Tausende gegen globale Ungerechtigkeit und Klimakrise – so erhoffen es sich Ak­ti­vis­t:in­nen für den Samstag in München. „Mit einem großen, bunten Demonstrationszug durch die Münchner Innenstadt fordern wir eine gerechtere G7-Politik“, erklärt am Montag Uwe Hiksch von den Naturfreunden, der den Protest angemeldet hat. Unterstützt wird er von einem Bündnis aus 15 verschiedenen Gruppen und Verbänden, darunter die Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ke­r:in­nen von Attac, die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor sowie die Umweltgruppen Greenpeace und der BUND.

Sie wollen das Vorwort zum G7-Gipfel sprechen: Am Sonntag treffen sich die Staats- oder Regierungschefs der „Gruppe der Sieben“ im Luxus-Hotel Schloss Elmau, 100 Kilometer südlich von München – am selben Ort wie schon vor sieben Jahren, als Deutschland das letzte Mal G7-Gastgeber war.

Umweltschützer Hiksch hofft auf breite Teilnahme am Protest in München, auch „mit Kinderwagen oder Rollator“. Der harte Kern der verschiedenen Bewegungen wird aber auch die Reise ins kleine Elmau antreten. Oder besser: so nah ran an Elmau wie möglich, also ins nahegelegene Garmisch-Partenkirchen. Dort richten Protestgruppen ab Donnerstag ein Camp unter dem Motto „Stop G7“ aus.

Das Gebiet ist schon jetzt eine Hochsicherheitszone. Seit Sonntag ist ein 16 Kilometer langer Zaun um das Hotel geschlossen, ein Zugang nur noch mit Akkreditierung möglich. Bereits seit einer Woche sind auch punktuelle Grenzkontrollen wieder eingeführt, um „potenzielle Gewalttäter“ aufzuspüren. In Garmisch-Partenkirchen ist bereits aus Containern ein Gefangenenlager mit 150 Plätzen errichtet.

Auf Indymedia tauchten interne Polizeipapiere vom Gipfel 2015 auf – Faeser gibt sich gelassen

Am Montag machte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor Ort ein Bild von der Lage, lobte die „herausragende“ Vorbereitung der Polizei. 18.000 Polizeikräfte sollen den Gipfel schützen. Am Wochenende wurde es indes bereits heikel. Auf dem linken Onlineportal Indymedia tauchten interne Polizeidokumente vom G7-Gipfel 2015 auf – Sicherheitsbehörden bestätigten die Authentizität. Wer hinter dem Leak steckt, ist bisher unbekannt. Für die Polizei kommt es aber zur Unzeit, denn ihre Taktik dürfte diesmal ähnlich wie 2015 sein.

In den Dokumenten wurden vorgesehene Zahlen der Polizeikräfte benannt, auch Namen der Einsatzführer samt Handynummern oder Funkkanäle. Aufgeführt wurde, wie Sperrzonen vor allem rund um das Tagungshotel mit „lückenloser Kontrolle“ gesichert werden sollten. Oder mit welchem Erkennungswort sich Zivilkräfte auszuweisen hatten („Zauneidechse“) oder auf einen Anschlagsfall reagiert würde („Schneesturm“). Die Polizeikräfte wurden angewiesen, „deeskalativ“ aufzutreten. Denn: Es werde eine „nahezu allgegenwärtige Dokumentation polizeilicher Maßnahmen“ durch Medien und private Handyvideos geben. Die Schreckensszenarien von 2015 lösten sich am Ende in Luft auf: Die Teilnehmerzahlen an den damaligen Protesten blieben überschaubar. Bis auf eine kurze Straßenblockade blieb alles im angemeldeten Rahmen. Herrmann und Faeser reagierten gelassen auf die geleakten Polizeidokumente. Der CSU-Mann erklärte, die Polizei werde diesmal sicher vieles ähnlich wie 2015 machen – „aber auch vieles anders“. Auch Faeser erklärte, der Leak habe „keinen Einfluss“ auf den aktuellen Einsatz. Gleichzeitig warnte sie „vor gewaltbereiten Chaoten“ und appellierte, der Protest müsse unbedingt friedlich bleiben.

Bisher indes sind Krawalle nicht in Sicht, die Mobilisierung zu Gegenprotesten bleibt überschaubar. Streit gibt es noch über die Demonstrationen rund um das Tagungshotel. Am Sonntag wollen Gipfelgegner mit rund 1.000 Teilnehmenden in Garmisch-Partenkirchen protestieren. Tags darauf soll ein Sternmarsch zum Hotel führen. Laut dem Stop-G7-Bündnis sollen die Ak­ti­vis­t:in­nen nicht bis zum Tagungsort vorgelassen werden. Nur eine 50-köpfige Delegation solle für eine halbe Stunde in Hör- und Sichtweite protestieren dürfen – und nach Vorlage der Personalien in Polizeibussen dorthin gelangen. Das Stop-G7-Bündnis nennt das „eine unglaubliche Beschneidung unserer Versammlungsfreiheit“. Man werde „wie Schwer­ver­bre­che­r:in­nen“ behandelt. Dennoch beuge man sich, um Auftritte internationaler Red­ne­r:in­nen zu ermöglichen.

Auch das Protestcamp hing lange in der Schwebe, bevor es vergangene Woche nach einem dreimonatigen Verfahren für 750 Teilnehmende genehmigt wurde. Das Camp gehöre für die Ak­ti­vis­t:in­nen zur freien Meinungsäußerung dazu, sagte Elisabeth Koch (CSU), Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen. „Das respektieren wir.“

Inhaltlich hat sich der Gipfelprotest in den vergangenen Jahrzehnten erweitert. Während es früher vor allem um die sozialen Folgen der globalisierten Weltwirtschaft ging, stehen jetzt auch die ökologischen Folgen im Fokus. „Die G7-Staaten haben die historische Verantwortung für die Klimakrise“, heißt es im Aufruf von Stop G7. Hauptleidtragende seien aber die Menschen im Globalen Süden, denen bei Entscheidungen der G7 „die Stimme geraubt“ werde. Die Ak­ti­vis­t:in­nen fordern einen groß angelegten Schuldentausch: Die finanziellen Schulden der armen Länder gegen die ökologischen Schulden der reichen.

Auch Fridays for Future Deutschland unterstützt diese Forderung und will den Freitags-Klimastreik in dieser Woche unter dem Motto „Debt for Climate“, also „Schulden fürs Klima“ durchführen.