Die Hamburger Grindelhochhäuser: Juwel auf den zweiten Blick

In bester Lage, mitten in der Stadt und komfortabel ausgestattet: Deutschlands älteste Wohnhochhausanlage steht in Hamburg-Harvestehude.

Ein, zwei Blicke werfen Foto: Sebastian König

HAMBURG taz | Windig ist es hier oben auf dem Haus in der Ober­stra­ße 18c, und in der Ferne ist gut zu sehen, wie sich etwas zusammenbraut. Zwar ist die Dachterrasse umgeben von mehr als menschenhohem Gemäuer. In diese, üppiges Sicherheitsdenken signalisierende Umrandung aber sind, gen Osten und Westen, Fenster eingebaut – alles andere wäre auch wirklich schade.

Im Westen steht ein gleichhohes Haus, auch weitere architektonisch erkennbar Verwandte; manche davon sind niedriger und auch sonst kleiner dimensioniert. Insgesamt zwölf Häuser, einander ähnlich und doch subtil unterschiedlich gestaltet, ragen da aus dem Grün und über die Gründerzeitvillen hinaus: Hier in Hamburg-Har­veste­hude konnte ab 1957 Deutschlands erste Wohnhochhaussiedlung bestaunt werden.

Und das wurde sie: Ar­chi­tek­t*in­nen reisten eigens an; hohen Besuch führte schon mal der jeweilige Bürgermeister selbst hierher; aber auch ganz normale Leute ließen sich etwa im Reisebus durch das Viertel fahren, genauer: außen herum, denn durch die parkartig gestaltete Siedlung führt bis heute keine Straße.

Geplant für die Alliierten

Den Grundstein für die „Grindelhochhäuser“ ließen 1946 die Briten legen, und zu tun hatte das mit Plänen, Hamburg zum zentralen Standort der alliierten Militärregierung zu machen. Das „Hamburg Project“ sah bis zu 35.000 Militärbedienstete und zivile Verwaltungskräfte vor, die in die Stadt gekommen wären, dazu noch ihre Angehörigen. Zeitweise wollten die Besatzungsbehörden bis zu 50.000 Menschen aus den umliegenden Vierteln umsiedeln.

Dazu kam es nicht: Die drei westlichen Alliierten entschieden sich für ihr Hauptquartier für Frankfurt am Main, in Hamburg zu bauen, wurde überflüssig. Wohnungen waren aber auch ohne die Nachfrage der Allierten knapp. So stemmten schließlich die Stadt und die stadteigene, 1922 ins Leben gerufene Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona (Saga) das Projekt, durchaus unter Schmerzen – es entstanden gut 2.000 Wohnungen, in denen rund 5.400 Menschen unterkamen.

Und das mit Lebensbedingungen, die um vieles besser und moderner waren als in den zuvor dort weggebombten Mietskasernen: viel Licht, zeitgemäße Hygiene- und Haushaltseinrichtung, automatische Fahrstühle, Geschäfte und Arztpraxen im Haus, aber etwa auch eine zentrale Wäscherei und Müllschlucker auf den Fluren – zur Entlastung der Hausfrau, wie es in einem Saga-Unternehmensfilm von 1958 heißt.

Penthouses mit Weitblick

Ja, es ist eine Hochhaussiedlung, aber nicht auf der berüchtigten grünen Wiese errichtet, sondern in guter, zentraler Lage: Dass hier einmal Offiziere einziehen sollten, davon profitieren auch spätere Be­woh­ne­r*in­nen. Das waren anfangs nicht durchweg die objektiv Bedürftigsten: Dafür waren die Wohnungen schlicht zu teuer, es zogen vorrangig Beamte, Angestellte und Freiberufler ein. In einigen Häusern hatten die Architekten gar Penthouses mit Weitblick eingebaut – für Künstler*innen.

Nicht, dass die folgenden Jahrzehnte nicht auch Wechselhaftes gebracht hätten. Die Grindelhochhäuser erlebten Investitionsstaus oder teils als problematisch empfundene soziale Mischungen. Das einzige Haus in privatem Besitz trug in der Lokalpresse eine Zeitlang den Namen „Horrorhaus“, und viele Menschen in der Stadt wussten einschlägige Anekdoten zu erzählen – wohl nicht alle in der Realität begründet.

Dass die Stadt aber auch in schlechten Zeiten ihre Wohnungsunternehmen nicht einfach kurzsichtig versilbert hat: Für diese Politik ist diese seit dem Jahr 2000 denkmalgeschützte Siedlung ein Symbol. Als die Wohnungsgesellschaft Saga jetzt ihr 100-jähriges Bestehen in Gestalt eines dicken Buchs aufrollte, wurde das auf der einzigen Dachterrasse vorgestellt: ganz oben, Oberstraße 18c.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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