Bildungspolitik in Berlin: Ein wohlfeiler Angriff

Die CDU fordert die Missbilligung der Schulsenatorin. Astrid Busse sei ideenlos und desinteressiert. Doch das greift zu kurz. Ein Wochenkommentar.

Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse sitzt vor einer Wand mit dem Berliner Bärenlogo

Jetzt ist Schluss mit lustig: Schulsenatorin Busse (SPD) Foto: dpa

Es hat gar nicht so lange gedauert, bis Astrid-Sabine Busse (SPD) in die großen Fußstapfen ihrer Langzeitvorgängerin getreten ist. Am Donnerstag hat die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen Antrag angekündigt, in dem die Amtsführung der Schulsenatorin missbilligt wird. Das ist so etwas wie eine Rücktrittsforderung light, wie man in den 1990ern sagte. Und Rücktrittsforderungen hat Busses Vorgängerin Sandra Scheeres (auch SPD) in den zwei Legislaturperioden ihrer Amtszeit en masse gesammelt – aus der Opposition, von Lehrer*innenverbänden, von Betroffeneninitiativen. Ohne dass sie je einer davon Folge geleistet hätte.

Auch Busse wird das nicht tun, wenn in der nächsten Plenarsitzung am kommenden Donnerstag über die in der Geschäftsordnung des Parlaments unter Paragraf 45a vorgesehene Missbilligung abgestimmt wird. Denn erstens sind dort keinerlei Konsequenzen für den Fall einer erfolgreichen Abstimmung vorgesehen, und zweitens wird der Antrag nicht erfolgreich sein, zumindest war es keiner dieser Art seit 2011. Frontal auf ein Mitglied der Regierung zu schießen, das weiß die CDU-Fraktion auch, schließt die Reihen der Angegriffenen am effektivsten.

Die größte Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus muss also in den Tagen vor der Abstimmung die Genugtuung über die Empörung auskosten, die sie mit dem Antrag auslöst. Und sich dann fragen lassen, was der denn bitte bringt und ob jemand aus ihren Reihen den Job besser machen könnte.

Denn dass Busses Vorgängerin ständig von einer Seite – oder manchmal auch mehreren – massiv unter Beschuss stand, lag zum einen daran, dass angesichts von rund 360.000 Schü­le­r*in­nen und der entsprechenden Zahl von Eltern plus den Leh­re­r*in­nen jede Menge Ex­per­t*in­nen mit profilierter Meinung am Start sind, ähnlich wie beim Trainer der Fußballnationalmannschaft der Männer.

Dass Busse Fehler machen würde, war zu erwarten, und die muss man einer Quereinsteigerin auch zugestehen.

Zum anderen sind die Defizite im Berliner Bildungssystem ähnlich groß und bieten jede Menge Angriffspunkte. Es fehlen Schulplätze, es fehlen Pädagog*innen, die Ausstattung ist verbesserungswürdig, die Motivation der Lehrenden oft auch. Nicht alle Probleme sind berlinspezifisch und bestehen auch in anderen Bundesländern, aber für eine Rücktrittsforderung spielt das keine Rolle.

Bei Busse kommt noch die politische Unerfahrenheit dazu. Die 65-Jährige war zwar fast 30 Jahre Schulleiterin einer Grundschule in Neukölln und Vorsitzende eines Lehrer*innenverbands. Aber sie war nicht in der SPD, der Partei, die sie jetzt ins Amt gehievt hat. Der gemeinsame Neuköllner Hintergrund von Busse und Regierungschefin Franziska Giffey dürfte eine wesentliche Rolle für ihre Ernennung gespielt haben.

Dass Busse also politische Fehler machen würde, war zu erwarten, und die muss man einer Quereinsteigerin, erst recht in dieser Lebensphase, auch zugestehen. Da war es natürlich wenig hilfreich, wenn ausgerechnet SPD-Fraktionschef Raed Saleh erklärte, Busse habe sich bei den Haushaltsverhandlungen „über den Tisch ziehen lassen“. Man darf davon ausgehen, dass dieser Vorwurf in der Missbilligungsdebatte am Donnerstag auch von der Opposition zu hören sein wird.

Ob Busse allerdings etwas dafür kann, dass der übliche Leh­rer*­in­nen­man­gel zu Schuljahresbeginn im kommenden Schuljahr noch etwas größer ausfallen wird, ist fraglich. Was die CDU-Fraktion aber nicht abhält, ihr fehlendes Engagement im Kampf für eine bessere personelle Ausstattung der Schulen vorzuwerfen. Denn die gewünschten Leh­re­r*in­nen gibt es schlicht nicht; sie wurden und werden nicht ausgebildet; nicht in Berlin, und zu geringem Ausmaß jenseits der Landesgrenze. Zudem sei Busse, so die Union, desinteressiert und ideenlos.

Das soll nicht heißen, dass die Debatte am Donnerstag uninteressant sein wird. Spannend dürften dabei aber weniger die Angriffe der Opposition sein, als vielmehr die Verteidigungsstrategie der rot-grün-roten Koalition; sprich, ob sie mehr Argumente anführen können als die am Sommer wieder startende Wiederverbeamtung der Leh­re­r*in­nen wie in allen anderen Bundesländern auch, die selbst nach Einschätzung von Grünen und Linken den Personalmangel kaum beheben wird.

Der Job ist nicht attraktiv

Insgesamt ist der Angriff der Union auf Busse wohlfeil, schlicht weil der Job insgesamt nicht attraktiv ist. Auch Vorgängerin Scheeres wäre sicher über die ein oder andere Rücktrittsforderung gestolpert, wenn denn jemand da gewesen wäre, der aus der Koalition ihr Amt wirklich angestrebt hätte. Franziska Giffey antwortete, damals noch als SPD-Spitzenkandidatin, auf die Frage, wer denn unter ihrer Regentschaft Bildungssenatorin werden soll, bei einer Debatte im taz-Café mit dem Satz: „Jemand wird sich schon finden.“

Doch so leicht ist es nicht. Das dürfte Giffey spätestens jetzt klar geworden sein. Sie hatte wohl gehofft, dass Busse die für die SPD wichtige bildungspolitische Flanke ruhig halten wird, ohne große Akzente setzen zu können, weil die meisten zentralen Entscheidungen bereits in der vergangenen Legislaturperiode getroffen wurden, etwa bei der Schulbau- und Kitaoffensive. Vielleicht kann das die Koalition bewegen, doch ein bisschen mehr Geld in Bildung zu investieren. Nicht unbedingt, weil viel immer viel hilft, sondern weil noch viel fehlt.

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Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

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