Industrie und Klimaschutz: Zollmauer gegen Ökodumping
Ein wichtiger Baustein des Grünen Deals ist der Klimaschutz-Zoll CBAM. Doch wie funktioniert der?
Was ist CBAM?
Das europäische Parlament wollte in dem großen Paket zum Green Deal auch eine Bestimmung über den „Klimaschutz-Zoll“ CBAM verabschieden. Das steht für „Carbon Border Adjustment Mechanism“ und ist die bürokratische Umschreibung für den Schutz der europäischen Industrie gegen Ökodumping und die Abwanderung der energieintensiven Industrie. Am Mittwoch entschied das Europaparlament jedoch, dass eine Entscheidung über einen solchen Zoll vertagt würde. Die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr wurde sogar abgelehnt.
Was steckt dahinter?
Mit dem Green Deal und wegen der Klimakrise muss sich ganz Europa bis 2050 von Öl, Gas und Kohle verabschieden. Das ist bei der Stromherstellung, bei Gebäuden und Autos kompliziert genug – in der Industrie wird das richtig schwierig. Denn wer zum Beispiel Stahl, Zement, Wasserstoff, Düngemittel, Plastik, Chemikalien oder Aluminium herstellt, braucht nicht nur sehr viel Energie, sondern auch teilweise fossile Rohstoffe. Das treibt die Preise dieser „grünen“ Produkte in die Höhe.
Stahl, der mit Wasserstoff statt mit Koks hergestellt wird, ist also teurer als das traditionelle Produkt. Ohne eine Regelung hätten damit die „grünen“ Produkte der Europäer keine Chance gegen Importe etwa aus China, das sich mit der Dekarbonisierung seiner Industrie noch Zeit lassen will. Unter diesem Konkurrenzdruck könnte die Industrie aus Europa abwandern und die Emissionen anderswo ausstoßen – von 5 bis 30 Prozent des CO2 aus der Industrie ist die Rede. Dem Klima wäre damit nicht gedient, wenn das CO2 statt in Europa in China entsteht.
Wie soll der Klimaschutz-Zoll wirken?
„Wir wollen eine Dekarbonisierung, keine Deindustrialisierung Europas“, sagt der CDU-Umweltpolitiker Peter Liese. Importe in diesen Branchen, die aus Gegenden ohne CO2-Preis oder Emissionshandel kommen (was in den meisten Teilen der Welt der Fall ist), müssen an der EU-Grenze diesen Unterschied ausgleichen. Sie müssen so viel bezahlen, wie die EU-Unternehmen für die CO2-Zertifikate im Emissionshandel ausgeben, im Augenblick also um die 90 Euro pro Tonne.
Das wird ein kompliziertes Verfahren, weil theoretisch für jedes Produkt aus jedem Land erhoben werden muss, wie hoch dessen CO2-Ausstoß ist. Das soll eine neue EU-Behörde regeln. CBAM soll ab 2023 schrittweise bis 2030 in Kraft treten, so will es das Parlament. Das eingenommene Geld – die Kommission rechnet mit 1 Milliarde Euro pro Jahr ab 2026 – soll für Klimaschutz in der europäischen Industrie verwendet werden. Denn viele Unternehmen verlieren bis 2030/2032 ihre Subventionen in Form von kostenlosen CO2-Zertifikaten. Gleichzeitig wird debattiert, EU-Unternehmen durch kostenlose CO2-Zertifikate finanziell zu entlasten, wenn sie ihre teuer in der EU produzierten Waren in Billigmärkte exportieren.
Ist CBAM ein Beitrag zum Klimaschutz?
Wenn er funktioniert, könnte das klappen: Die europäische Industrie verabschiedet sich von den fossilen Energien, entwickelt neue Verfahren und macht grüne Technik dadurch für alle erschwinglich, wie es etwa bei erneuerbaren Energien geklappt hat. Eine Verlagerung der CO2-intensiven Produktion (Carbon Leakage) etwa von Stahl ins Ausland belastet dagegen das Klima stärker: Ältere Anlagen, niedrigere Sozial- und Umweltstandards sowie der Transport rund um den Globus treiben die CO2-Bilanz von importierten Gütern in die Höhe.
Ist das nicht Protektionismus in Grün?
Dieser Vorwurf kommt von vielen Schwellenländern, die bisher mit ihren niedrigeren Löhnen und Energiekosten ihre Wettbewerbsvorteile (teilweise verzerrt durch staatliche Subventionen) nutzen. Die EU streitet den Vorwurf ab. Sie schütze nur ihre Unternehmen in dieser schwierigen Transformation. Und hofft, dass die anderen Länder mit ähnlichen Methoden nachziehen. Das beginnt offenbar schon: „Noch vor einem halben Jahr habe ich wütende Briefe von US-Abgeordneten zu CBAM bekommen“, berichtet Mohammed Chahim (Sozialdemokraten), Berichterstatter des Parlaments zu CBAM, „Inzwischen sehen sie, dass es für sie eine Möglichkeit ist, ihre Industrie zu schützen. Jetzt wollen sie über gemeinsame Standards reden.“
Die endgültige Entscheidung wird wohl die Welthandelsorganisation WTO treffen, wenn ein Importland gegen CBAM klagt. Bei einem solchen Verfahren könnte ein Vorschlag der Grünen helfen: die Einnahmen aus CBAM teilweise dafür zu verwenden, den Schwelleländern zu helfen, ebenfalls grüne und saubere Industrien aufzubauen. Aber die Idee hat sich bislang nicht durchgesetzt.
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