Russische Oligarchen: Todesserie unter Milliardären

In Russland häufen sich Todesfälle von Oligarchen, die ihr Geld vor allem mit Gas oder Öl machten. Was dahintersteckt, bleibt unklar.

Ein Mann mit blauem Jackett und Krawatte: der belarussische

Lukoil-Manager Alexander Subbotin ist nur eines der Opfer in einer Reihe mysteriöser Morde Foto: Itar-Tass/imago

MOSKAU taz | Ein Mann kommt zum Schamanen, nimmt Krötengift zu sich, dann ein Beruhigungsmittel, er legt sich hin – und stirbt. So soll es sich Anfang Mai in einem Moskauer Vorort zugetragen haben – und wieder steht ein Name mehr auf der Liste mysteriöser Todesfälle russischer Milliardäre, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine immer länger wird. Der vorerst letzte in dieser Reihe ist Alexander Subbotin, ein 44-jähriger ehemaliger Topmanager des Erdölkonzerns Lukoil.

Subbotin soll bereits mehrmals den Schamanen knapp 20 Kilometer nordöstlich vom Moskauer Zentrum aufgesucht haben. Er soll stets in Begleitung von vier Autos samt Wachpersonal gekommen sein. Subbotin wollte auch an diesem Abend – wie oft – seinen „schweren Kater“ loswerden. Er kannte die Dienste des Schamanen, der in einen von ihm zugefügten Schnitt in der Haut das Gift einer Kröte tropft, um den Organismus von anderen Giften zu „reinigen“. Subbotin wurde bei der „Behandlung“ offenbar schlecht. Er soll sich aufgeregt haben. Der Schamane reichte ihm ein Sedativum und brachte ihn in den Keller seines Hauses. Einen Arzt rief er nicht.

Es sind merkwürdige Fälle, die alle paar Wochen bekannt werden. Da ist der 61-jährige Gazprom-Manager Alexander Tjuljakow, der sich einen Tag nach Beginn des Kriegs in der Ukraine in seinem Anwesen bei Sankt Petersburg erhängt haben soll. Der Mann war für die Unternehmenssicherheit und die Finanzverwaltung des gesamten Konzerns zuständig. Die Polizei sprach von Suizid, russische Medien berichteten jedoch von Spuren starker Gewalteinwirkung bei dem Toten.

Knapp einen Monat später fand die Polizei in Nischni Nowgorod, 400 Kilometer östlich von Moskau, einen weiteren Milliardär tot in seiner Wohnung: Der 43-jährige Wassili Melnikow, der sein Geld mit Zahnkliniken gemacht hat, soll mit mehreren Messerstichen seine Frau Galina und die beiden Söhne, vier und zehn Jahre alt, getötet haben. Die Polizei fand auch ihn tot in der Wohnung und sprach von einem erweiterten Suizid. Wie auch im Falle des ehemaligen Vizepräsidenten der Gazprombank: Wladislaw Awajew, der zuletzt mit Carbon-Implantaten handelte, soll Mitte April erst seine Frau, seine dreizehnjährige Tochter und dann sich selbst erschossen haben.

Auch der ehemalige Topmanager des Öl- und Gasriesen No­watek, Sergei Protosenja, soll in seiner Villa in Spanien Frau und Tochter getötet haben und dann sich selbst. Kurz darauf lag in einem Moskauer Hochhaus wieder ein toter Millionär – Wladimir Ljakischew, der Betreiber der russischen Caféhauskette Gebrüder Karawajew, soll sich laut Polizei erschossen haben.

Spekulationen in Russland

Haben die Männer die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen, die die Sanktionen des Westens mit sich bringen, nicht ertragen? Wussten sie zu viel über möglichen Betrug in staatlichen Unternehmen? Hat der Kreml seine Hände mit im Spiel? Hat er die Geheimdienste auf sie angesetzt? Russland spekuliert.

Keiner der Manager hatte sich kritisch gegenüber dem russischen Regime geäußert, geschweige denn zum Krieg in der Ukraine. Manche Be­ob­ach­te­r*in­nen in Russland führen die Todesserie auf Konflikte zwischen unterschiedlichen Eliteclans zurück. Manche halten die Fälle auch für Fami­lien­tra­gödien. Es gibt allerdings viele Ungereimtheiten, vor allem bei den Fällen, in die Manager staatlicher Öl- und Gasriesen verwickelt sind. So soll der Sicherheitsdienst von Gazprom eigene Untersuchungen aufgenommen haben. Selbst Polizisten, die zum Tatort geeilt waren, soll der Zugang zu den Toten verwehrt worden sein.

Der ehemalige Duma-Abgeordnete und frühere Geheimdienstler Gennadi Gudkow sprach in der Youtube-Sendung „Chodorkowski live“ von „merkwürdigen Übereinstimmungen der Details“ bei manchen Fällen. „Das sieht fast schon nach einer Art Handschrift von Auftragsmördern aus“, mutmaßte er.

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