Steffen Grimberg
Flimmern und rauschen
: Das deutsche Fernsehen und die Frauenquote: Arbeitstitel „Sender sucht Frau“

Foto: Regentaucher

Am 28. April ist ja wieder Girls’ Day. In Berufe reinzuschnuppern, die weniger nach alter Mutter- oder Vätersitte riechen, ist das Ziel. Und so finden sich auch 2022 Angebote wie „Hier auf’n Putz hauen: Ein Tag im Baucamp als Malerin/Lackiererin und Trockenbaumonteurin“ der VDI Garage Leipzig.

Schön wäre, wenn auch die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Girls’-Day-Angebote ergänzten. Also wenn es neben einem Tag bei der Redaktion Wissen und Bildung wie beim MDR Fernsehen auch „Ein Tag als Intendantin, Programmdirektorin, Chefredakteurin“ usw. gäbe. Schließlich haben die von ARD bis ZDF derzeit ganz prinzipiell ihre liebe Not mit dem kreativen Nachwuchs, weil die heute lieber bei Netflix coole Serien schauen. Und später vielleicht auch lieber dort ihr Ding machen.

Damit oben wer ankommt, muss unten angefangen werden. In den höheren Etagen der Sender sah es bislang allerdings mit Führungsfrauen eher mau aus. ProQuote wurde und wird nicht müde, darauf hinzuweisen. Und siehe da, es tut sich was. Nach dem aktuellen Monitoring Rundfunk, das ProQuote gerade vorgestellt hat, machen sie vor allen bei den Öffentlich-Rechtlichen ihre Hausaufgaben. Die Spitzenplätze belegen der RBB mit 57,4 Prozent und die Deutsche Welle mit 50,8 Prozent Frauen in redaktionellen Führungspositionen. Sie erfüllen damit sogar die Forderung nach der Quote. Bis auf den HR (29,4 Prozent) und den SR (36,1 Prozent) erreichen alle Sender immerhin einen „Frauenmachtanteil“ von mindestens 40 Prozent. Und bei (fast) allen Sendern zeigt sich im Vergleich zur Erhebung 2017/18 ein klarer Trend zur hierarchischen Umverteilung von männlich zu weiblich. Nur der WDR hat es hinbekommen, in den letzten fünf Jahren bei den Männern sogar nochmal zuzulegen. Mit dem Zweiten sieht’s bald aber besser aus. Denn hier treten zum 1. Mai Nadine Bilke als neue Programmdirektorin und im Herbst Bettina Schausten als neue Chefredakteurin an, was in der aktuellen Statistik noch gar nicht auftaucht.

„Da freu ich mich für alle Frauen in redaktionellen Führungspositionen. Doch bei den weiblich besetzen technischen Führungsrollen hinken alle Sender sehr hinterher“, trauert die Mitbewohnerin. Noch mieser sieht es bei den Privaten aus. Bei ProSieben, Sat.1 und RTL dümpelt der Frauenanteil bei Führungspositionen weiter bei unter 30 Prozent. Seitdem die RTL-Sendergruppe mit dem männlich dominierten Verlagsriesen Gruner + Jahr fusioniert wurde, ist’s dort ganz duster. Wo früher eine Anke Schäferkordt den Privat-TV-Riesen führte, weist ProQuote aktuell nur noch 13,8 Prozent „Führungsfrauen“ aus. Da wäre also mal ganz klar ein neues Girl’s-Day-Format angesagt, Arbeitstitel „Sender sucht Frau“.

Steffen Grimberg bringt hier jede Woche Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt. Er ist Medienprofi und Vorsitzender des Berlin-Brandenburger Journalistenverbands DJV Berlin – JVBB.