Schifffahrtkrise wegen Ukrainekrieg: Kriegsfolgen auf hoher See
Viele der 1,9 Millionen Seeleute weltweit sind Ukrainer oder Russen – der Krieg stürzt sie in eine Krise. Vor allem die Frachtschifffahrt leidet.
Vor allem als Offiziere sind ukrainische und russische Seeleute auch international nahezu unverzichtbar. Die Zahl der Russen auf hoher See wird auf rund 200.000 beziffert, 76.000 sind Ukrainer. Weltweit stellen Crew-Mitglieder aus beiden Staaten damit rund 15 Prozent aller 1,9 Millionen Seeleute. „Sie könnten Schwierigkeiten haben, in ihre Heimat zurückzukehren oder nach Ablauf ihrer Verträge wieder auf die Schiffe zu kommen“, warnt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Allianz in München.
Belastend für die Besatzungen bleibt weiterhin die Coronapandemie. Vor allem vor chinesischen Häfen stauen sich Hunderte Frachter. Doch auch unabhängig davon spricht Justus Heinrich von der Allianz-Schifffahrtsversicherung AGCS von einer „Besatzungskrise“.
Denn die Nachfrage nach Crew-Mitgliedern ist infolge der anziehenden Weltwirtschaft vor allem in Asien hoch, doch viele qualifizierte und erfahrene Seeleute verlassen die Branche. Innerhalb von fünf Jahren werde es an Offizieren ernsthaft mangeln.
2021 mehr Schiffsunfälle
Bei Seeleuten, die an Bord bleiben, sei die Arbeitsmoral niedrig, da der wirtschaftliche Druck, anspruchsvolle Vorschriften und die physische Belastung hoch sind. Eine solche Arbeitssituation erhöhe die Fehlerneigung – 75 Prozent der Zwischenfälle in der Schifffahrt führt die Allianz auf menschliches Versagen zurück.
So stieg 2021 die Zahl der gemeldeten Schiffsunfälle. In den engen Fahrgebieten um die Britischen Inseln ist die Zahl traditionell am höchsten (668 von 3.000). Brände, wie der an Bord des Autotransporters „Felicity Ace“ im Atlantik, führten im vergangenen Jahr zu 54 Totalverlusten von großen Schiffen. In solchen Notfällen kann die Größe der Schiffe zum Problem werden: Denn viele Häfen sind einfach zu klein für die dicken Pötte mit bis zu 24.000 Containern an Bord und es mangelt an passenden Bergungskapazitäten.
Brände brechen häufig in Containern aus, was die Folge von falsch deklarierter gefährlicher Ladung wie Chemikalien und Batterien sein kann – etwa 5 Prozent der verschifften Stahlboxen sind heimlich mit Gefahrgütern gefüllt. Auch die wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen, die auf dem Seeweg transportiert werden, erhöht das Brandrisiko: Zum einen sind die Lithium-Ionen-Akkus hoch entzündlich, zum anderen können die bordeigenen Löscheinrichtungen ein schnell loderndes Feuer kaum rechtzeitig eindämmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!