Analyse der AfD-Wahlniederlage: Streit ist kein Wahlkampfschlager

Die AfD ist in Schleswig-Holstein nicht in den Landtag eingezogen. Los geht sie, die Fehlersuche, aber auch die Selbstzerfleischung in der Partei.

Verlierer: Jörg Nobis im Anzug vor AfD-Wahlplakaten

In Schleswig-Holstein ist Jörg Nobis mit seiner AfD aus dem Landtag geflogen Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Die Enttäuschung war AfD-Spitzenkandidat Jörg Nobis am Gesicht abzulesen. Erstmals seit ihrer Gründung zog die vermeintliche Alternative für Deutschland nach einer Wahl nicht in ein Parlament ein. Die AfD scheiterte in Schleswig-Holstein am 8. Mai an der 5-Prozent-Hürde. „Krisenzeiten“ seien „Regierungszeiten“ versuchte Nobis das Wahlergebnis von 4,4 Prozent zu erklären, räumte aber auch ein, dass der „interne Streit“ vom „Wähler nicht goutiert“ wurde.

In den vergangenen Monaten war dieses Scheitern dennoch nicht ganz zu erwarten. Die Prognosen schwankten zwischen 5 und 7 Prozent. Schon früh im Landtagswahlkampf bemühte sich der Landesverband als Partei gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen aufzutreten. Es gab keine politische Entscheidung zum Coronavirus, die die Landtagsgruppe um Nobis nicht kritisierte.

Der Grund war offensichtlich: Im November vergangenen Jahres zeigte eine Wahlumfrage von Forsa zur Bundestagswahl, dass von den „Nicht-Geimpften“ 50 Prozent angaben, die AfD gewählt zu haben. Weitere Studien bestärkten den Zusammenhang von Protest gegen die Maßnahmen und AfD-Nähe.

Die AfD in Schleswig-Holstein setzte also auf diese Strategie, berücksichtigte dabei aber die doppelte Konkurrenz in dieser Thematik nicht: Zum einen hatte die FDP mit ihrem Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, einen lautstarken Kritiker gegen die Impfpflicht. Außerdem kandidierte auch „Die Basis“ für den Kieler Landtag, eine Partei die nur aufgrund der Pandemiemaßnahmen überhaupt gegründet wurde. Am Wahltag erzielte die Basis mit ihrem Spitzenkandidaten David Claudio Siber 1,1 Prozent. Zur FDP wanderten rund 6.000 AfD-Wähler:innen ab.

Daniel Günther distanzierte sich von rechten Positionen

Insgesamt verlor die AfD im Vergleich zur vorigen Wahl 1,5 Prozentpunkte. Der größte Teil der abtrünnigen Ex-AfD-Wähler*innen setzte ihr Kreuz bei dieser Wahl bei der CDU. Das mag auch hier an der großen Beliebtheit des Ministerpräsidenten Daniel Günther liegen, dem es – anders als in seiner Partei befürchtet – nicht geschadet hat, dass er sich in der vergangenen Legislaturperio­de klar von AfD-nahen Positionen distanzierte.

Für die AfD stockte es hingegen schon im Wahlkampf. Sie versuchte, sich erneut als die Partei „der Normalen“ und „der einfachen Leute“ zu inszenieren. „Mit den Themen bezahlbare Energie und bezahlbares Wohnen haben wir bei vielen Wählern den richtigen Nerv getroffen“, sagte der nun Ex-Landtagsabgeordnete Volker Schnurrbusch. Er habe gedacht, dass die AfD in Schleswig-Holstein eine „feste Größe geworden“ wäre.

In dem Land haben immer mal wieder rechtsextreme Parteien von NPD bis DVU Erfolge erzielen können, zogen in den Landtag – die NPD 1967 mit 5,8 Prozent die DVU 1992 mit 6,3 Prozent. In Neumünster besteht seit Jahren eine rechtsextreme Szene. Die NPD sitzt dort im Stadtrat. Zur Landtagswahl trat sie nicht an, was der AfD in die Hände gespielt haben dürfe. Gereicht hat das aber nicht.

Und daran haben wohl auch die von Nobis selbst angesprochenen Querelen ihren Anteil. Die Landes-AfD ist desolat und das schon seit 2018. Ein immer wiederkehrender Konflikt ist die Personalie Doris von Sayn-Wittgenstein. Die frühere Landesvorsitzende flog erst wegen rechtsextremer Kontakte aus der Landtagsfraktion und dann aus der Partei. Bis heute hat der Landesverband keinen neuen Landesvorstehenden.

Aber ganz so eindeutig ist das mit der Distanzierung eben auch nicht in der AfD. So wurde Sayn-Wittgenstein von Parteimitgliedern bei der Nominierung zur Landesliste auch als Parteilose noch vorgeschlagen. Ein Affront gegen Nobis, der vielen in der Partei einfach zu moderat, zu profillos ist. Wenige Tage vor der Wahl polterte dann auch noch Sayn-Wittgenstein selbst gegen die AfD. Die Antworten des schleswig-holsteinischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der jetzt ebenfalls Ex-Landtagsabgeordneten legten nahe, dass im AfD-Landesverband Personen dem Landesverfassungsschutz zuarbeiten könnten.

Der Streit eskalierte kurz vor der Wahl

In einer Mitteilung warnte Sayn-Wittgenstein vor Kontakt mit der AfD. Bürger:innen, die sich vertraulich an Abgeordnete der Partei wendeten, müssten nun damit rechnen, „weitergemeldet“ zu werden. Und sie spekulierte, ob nicht der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland „im Auftrag der Dienste“ einen erfolgreichen Aufbau der AfD in Schleswig-Holstein „mit teils erfundenen oder unanständigen Angriffen“ habe verhindern wollen. Ihr Fazit: Eine „unabhängige, nur dem Wähler verpflichtete“ AfD gebe es nicht mehr. Die Partei sei „nicht wählbar“.

Das Wahlergebnis befeuert in der AfD nicht bloß die landesinterne Debatte. Die vermeintlich moderateren AfDle­r:in­nen werfen dem Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla vor, die Partei durch einen „sozialen Patriotismus“ eines Björn Höcke und eines großen „Putinismus“ weiter zu radikalisieren. Die Radikaleren halten hingegen „den Deppen“ im Norden bei Twitter vor, durch ihren anhaltenden Streit die zu erwartenden „sechs Prozent“ vertan zu haben.

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