Hamburger Cum-Ex-Skandal: Reden ist Gold
Hamburgs Finanzsenator Dressel (SPD) quasselt sich durch den Untersuchungsausschuss im Steuerskandal. Warburg-Bank scheitert mit Verfassungsklage.
Wie Scholz wies auch Dressel darauf hin, dass dem Steuerzahler kein Schaden entstanden sei und jeder Steuercent eingetrieben werde. Dabei nutzte er die Gelegenheit, auf eine brandaktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufmerksam zu machen. Das wies am Freitag eine Verfassungsbeschwerde der Hamburger Warburg-Bank gegen die Einziehung von 176 Millionen Euro durch den Fiskus wegen Steuerhinterziehung ab.
Das höchste deutsche Gericht erklärte die rückwirkende Einziehung des illegal erworbenen Geldes für zulässig, obwohl die Forderung nach früher geltendem Recht verjährt war. Wegen überragender Belange des Gemeinwohls sei die Rückwirkung ausnahmsweise zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar, begründeten die Karlsruher Richter ihre Entscheidung.
Bei den Cum-Ex-Geschäften ging es allein darum, sich auf Kosten des Steuerzahlers zu bereichern. Dazu wurden große Aktienpakete um den Dividendenstichtag herum mehrfach hin und her gehandelt, um zu verschleiern, wer Kapitalertragssteuer bezahlt hatte und sie sich erstatten lassen konnte.
Griff in die Staatskasse
Im Endeffekt erstatteten die Finanzämter einmal bezahlte Steuern mehrfach. Durch die Geschäfte entstand nach Schätzung eines Rechercheverbundes unter Führung des Investigativ-Portals „correctiv“ allein in Deutschland ein Schaden von fast 36 Milliarden Euro.
Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, ob der Hamburger Senat die Steuerverwaltung in den Jahren 2016 und 2017 dazu gedrängt hat, die Warburg Bank zu verschonen. Finanzsenator war damals der heutige Bürgermeister Tschentscher, Bürgermeister der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Zur Rede stand, ob das Finanzamt die Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern aus Cum-Ex-Geschäften verjähren lassen sollte. Es ging allein in diesen beiden Jahren um 90 Millionen Euro.
Dressel, der erst im März 2018 den heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher als Finanzsenator ablöste, hat mit diesen beiden Entscheidungen nicht direkt etwas zu tun, wohl aber mit dem schließlich ergangenen Steuerbescheid und mit der anrüchigen Annahme von Warburg-Spenden durch die SPD, sowie mit dem Eingreifen der Steuerverwaltung in den Bürgerschaftswahlkampf Anfang 2020. Deren Leiter Ernst Stoll hatte eine Art Ehrenerklärung abgegeben, in der er den Vorwurf zurückwies, die Steuerverwaltung würde auf politischen Druck hin agieren.
Die Abgeordneten interessierten sich für eine „tatsächliche Verständigung“, mit der Warburg-Bank, die die Hamburger Steuerverwaltung erwog. Dabei hätte die Bank nur 68 von insgesamt 176 Millionen Euro Steuerschaden bezahlen müssen; weitere Klagen wären obsolet gewesen.
Macht der Fiskus Deals?
Die Leiterin des Finanzamtes für Großunternehmen habe ausweislich einer Mail vom September 2019 einen entsprechenden Vorschlag entworfen, sagte der CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker. Das widerspreche der Ehrenerklärung Stolls, nach der die Steuerverwaltung keine Vergleiche mit Steuerpflichtigen schließe.
Dressel konterte, bei einer tatsächliche Verständigung gehe es darum, gemeinsam einen Sachverhalt festzustellen. Das sei etwas anderes als ein Vergleich. Zudem sei entscheidend, von wem der Entwurf gekommen sei, in diesem Fall von der Bank, was dem Wortlaut von Stolls Erklärung nicht widerspreche. Denn dort stehe: „die Verwaltung reagiert auf etwaige Anträge des Steuerpflichtigen“.
Mit dieser feinsinnigen, mit Finanzsenator Dressel abgestimmten Erklärung habe Stoll die Öffentlichkeit in die Irre geführt, kritisierte der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch: „Die Erklärung erweckt einen falschen Anschein.“ Sie tue so, als ob die Vorwürfe falsch seien, dabei sei es aber nur um die Wortwahl gegangen.
Dressel versicherte, es sei überhaupt nur sondiert worden, ob eine Verständigung Sinn ergeben könnte, um dem Fiskus einen bestimmten Betrag ohne unwägbare Rechtsstreitigkeiten zu sichern. Durch die parallel laufende juristische Aufarbeitung, sprich diverse klärende Gerichtsurteile, habe sich das als „totes Gleis“ erwiesen, das dann auch abgeklemmt worden sei. Im Frühjahr 2020 erging schließlich der Bescheid zur Rückforderung.
Lediglich informiert
Über die Frage, ob die Rückforderung der erstatteten Steuern die Existenz der Warburg-Bank gefährden könnte, habe er sich nur informieren lassen, um die Folgen des Worst Case für die Stadt bedenken und den Bürgermeister entsprechend vorwarnen zu können. Für die „Primärentscheidung“ habe das keine Rolle gespielt. Verschiedenen Mitarbeiter der Finanzverwaltung hatten im Ausschuss angegeben, sie hätten eine Insolvenz der Bank und sich daraus ergebende Schadenersatzforderugen an die Stadt befürchtet.
Mit Blick auf die Spenden von Warburg-Tocherfirmen an den SPD-Kreisverband Mitte wiederholte Dressel seine bereits öffentlich getroffene Aussage, „mit dem Wissen von heute“ hätte der geschäftsführende SPD-Parteivorstand dieses Geld nicht angenommen. Dressel war Mitglied in dem Gremium, gab aber an, sich an die entsprechende Sitzung nicht zu erinnern.
Das ordentlich verbuchte Geld wurde von Firmen, die ohne Recherche nicht als Warburg-Töchter erkennbar waren, im zeitlichen Zusammenhang mit dem Steuerverfahren gespendet. Der damalige Vorsitzende des Kreisverbandes Johannes Kahrs setzte sich für die Banker ein. Das Verfahren, mit dem Spenden überprüft werden, sei inzwischen verbessert worden, versicherte Dressel.
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