Vergewaltigungen als Waffe: Kein Frieden ohne Frauen

Vergewaltigungen sind Teil der russischen Kriegsführung in der Ukraine. Die Verbrechen müssen sichtbar gemacht und geahndet werden.

Eine Frau steht vor Trümmern in Chernihiv

Chernihiv am 6. April: Verwüstung nach einem russischen Luftangriff Foto: Serhni Nuzhnenko/reuters

Der Krieg gegen die Ukraine wird mit Raketen geführt, mit Granaten, Panzern und Drohnen – und mit Vergewaltigungen. Nackte Frauenleichen am Straßenrand sind dokumentiert, Berichte von Frauen, die vergewaltigt wurden, ebenso. Die britische Botschafterin in der Ukraine schreibt: „Frauen wurden vor ihren Kindern vergewaltigt, Mädchen vor ihren Familien.“ Die ukrainische Botschafterin in Estland twitterte das grauenhafte Bild einer nackten toten Dreijährigen mit „Anzeichen einer Vergewaltigung“.

Weibliche Körper sind ein Schlachtfeld, und Vergewaltigung ist eine Waffe. Als solche werden sie genutzt, seit es Kriege gibt. Berichtet wurde darüber zum Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg, während der Balkankriege in den 1990er Jahren, nach dem Völkermord in Ruanda. Erst danach wurde die internationale Gemeinschaft gewahr, dass sexualisierte Gewalt in Kriegen kein Individualverbrechen ist. Sie wird eingesetzt, um Menschen zu foltern und zu terrorisieren.

Seit 2008 wird Vergewaltigung in Kriegen von den Vereinten Nationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Waffe anerkannt. Vergewaltigung als Waffe ist eine Machtdemonstration, die mit global ungleichen Geschlechterverhältnissen zu tun hat. Es geht darum, Männer und Nation zu demütigen, indem sich die Gegner „deren“ Frauen bemächtigen, oft in Gruppen. Schambesetzt ist dieses Verbrechen auch, weil es im eigenen Lager funktioniert: „Geschändete“ Frauen haben ihren Wert verloren.

Wenn sie schwanger werden, gar die Kinder der Gegner bekommen, wie es etwa in den Balkankriegen oft der Fall war, sind sie zum Teil auf Jahrzehnte gebrandmarkt. Das Prinzip ist dasselbe, überall auf der Welt. Human Rights Watch geht davon aus, dass Kriegsverbrechen gegen Zi­vi­lis­t:in­nen in der Ukraine keine Ausnahme sind und von der russischen Armee geduldet werden. Was aber tun, außer diese Taten moralisch zu verurteilen?

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Geschlechtergerechtigkeit muss in Friedens- wie in Kriegszeiten handlungsleitend für Regierungen sein. Wenn Frauen im Alltag nicht gleichgestellt sind, sind sie im Kriegszustand noch angreifbarer, verletzlicher. Das Geschlechterbild, das Frauen als „Eigentum“ ihrer Männer markiert, muss gebrochen werden.

Eine feministische Außenpolitik, die im Angesicht von Putins entfesselter Hypermaskulinität von vielen belächelt wird, aber etwa im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten ist, ist elementar: Ohne Frauen kein langfristiger Frieden. Und schließlich brauchen Verbrechen wie diese Sichtbarkeit und Strafe. Öffentlichkeit und Politik dürfen Vergewaltigungen als Kriegswaffe nicht als Kollateralschaden in Kauf nehmen.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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