Umweltschützer zu Strom aus Mais: Gegen mehr Biogas wegen Krieg
Pflanzen für die Stromerzeugung belegten zu viele Äcker, sagen Umweltbundesamt und Naturschutzbund. Dort sollten lieber Lebensmittel angebaut werden.
So gingen Äcker für den Anbau von Lebensmitteln verloren, ergänzte Jan Seven, Fachgebietsleiter Erneuerbare Energien des Umweltbundesamts (UBA). Die Anlagen würden nämlich für 75 Prozent des Biogases Pflanzen wie Mais vergären, die extra dafür angebaut werden. Mit dem so gewonnenen Gas wird hauptsächlich Strom und in geringeren Mengen Wärme erzeugt. „Wir brauchen die Flächen für die Welternährung und die Biodiversität“, so Seven.
Wegen des Angriffs auf die Ukraine will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Russland reduzieren. Bisher bezieht Deutschland rund die Hälfte seines Gases von dort. Der Fachverband Biogas etwa riet deshalb, seine Branche stärker zu fördern. Zum Beispiel sollten die 8.600 Anlagen anders als bisher für unbegrenzt viel Strom die Vergütung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz bekommen. Durch solche Maßnahmen ließe sich die Energieerzeugung aus Biogas kurzfristig um 20 Prozent steigern. Mittel- bis langfristig könnte die Biogaserzeugung dem Wirtschaftsverband zufolge von heute 95 Terawattstunden mindestens verdoppelt werden – was einem Drittel der aktuellen Gasimporte aus Russland entspräche.
Doch schon bisher belege der Anbau von Pflanzen für die Biogasproduktion 1,6 Millionen Hektar oder 13 Prozent des deutschen Ackerlands, so das UBA. Diese hohe Flächenbelegung sei angesichts der sich verschärfenden Ernährungskrise „kontraproduktiv“. Infolge des Krieges fallen Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland aus, sodass die Weltmarktpreise steigen. Das könnte Hilfsorganisationen zufolge Millionen von Menschen in Entwicklungsländern in den Hunger treiben.
Auf den knappen Agrarflächen erzeugen Biogasanlagen auch viel weniger Strom pro Hektar als Photovoltaik (PV). „Bezogen auf PV-Bestandsanlagen könnte pro Hektar im Jahr rund 13- bis 20- mal mehr Strom (0,75 x 413 Megawattstunden) erzeugt werden als beim Maiseinsatz in Biogasanlagen (15 bis 23 Megawattstunden)“, heißt es in einem noch unveröffentlichten Arbeitspapier des UBA. Neue PV-Anlagen würden sogar 26- bis 39-mal mehr Strom liefern als Biogas aus Mais. Dabei ist diese Pflanze schon der effizienteste Rohstoff für die Biogasproduktion.
Der Staat hat Biogas hauptsächlich deshalb gefördert, weil es als erneuerbare Energie klimafreundlich sein soll. Doch in Wirklichkeit ist die Klimabilanz nach UBA-Daten schlecht. Auch das liegt vor allem am Flächenverbrauch. Denn wenn Pflanzen für Biogas auf Flächen wachsen, auf denen vorher zum Beispiel Futter erzeugt wurde, muss das möglicherweise importiert werden aus Ländern, in denen dafür Wald abgeholzt wurde. Zwar dürfen die Emissionen wegen dieser indirekten „Landnutzungsänderungen“ laut EU-Recht nicht in den offiziellen Bilanzen auftauchen. „Sie sind jedoch gemäß der Mehrheit von Studien dazu signifikant hoch und können unter Umständen die positive Klimabilanz gegenüber der fossilen Referenz völlig zunichtemachen“, so das UBA. Selbst nach der offiziellen Statistik verursacht Biogas mehr Treibhausgase als andere erneuerbare Energien wie Windkraft oder Solar.
Besser wären die Bilanzen, wenn die Biogasanlagen nicht hauptsächlich extra für sie angebaute Pflanzen vergären würden, sondern Abfall- und Reststoffe wie Gülle oder Mist, die sich nicht anderweitig nutzen lassen. Doch laut UBA gibt es zu wenige solcher Stoffe, um die Biogasanlagen damit vollständig zu versorgen. Mit diesem Material lasse sich nur etwa die Hälfte der aktuellen Biogasmenge produzieren. Ein Drittel dieser Stoffe lande schon jetzt in den Anlagen.
„Und die Industrie wird diese Stoffe auch haben wollen, weil fossile Energien teurer werden“, ergänzt Nabu-Experte Scholz. Abgesehen davon werde der Mais für die Biogasanlagen oft in Monokulturen oder sehr engen Fruchtfolgen angebaut. Dadurch sinkt die Artenvielfalt.
Das Umweltbundesamt und der Nabu fordern deshalb, möglichst keine Pflanzen mehr für Biogas anzubauen. Der Bund müsse die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz herunterfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung