Saudischer Exekutionsrekord

Massenhinrichtungen im Schatten des Ukraine-Krieges und der Sanktionen gegen Öl aus Russland

Von Karim El-Gawhary , Kairo

Es ist die größte Zahl staatlicher Exekutionen an einem Tag in der Geschichte Saudi-Arabiens. Nach Angaben des saudischen Innenministeriums sind am Samstag 81 Menschen im Königreich hingerichtet worden und damit mehr als im gesamten Jahr zuvor. Die genauen Umstände der Prozesse, Urteile und Hinrichtungen sind unklar. Zu den Exekutierten gehören saudische Staatsbürger, sieben Jemeniten und ein Syrer, meldet die amtliche Nachrichtenagentur SPA.

Die Anklagen reichten von Mitgliedschaft in einer Terrororganisation wie dem sogenannten Islamischen Staat oder al-Qaida über Aktivitäten der jemenitischen Huthi-Rebellen, die in Saudi-Arabien als Terrororganisation gelistet sind, bis hin zu schweren Verbrechen wie Vergewaltigung, Mord, Waffenschmuggel oder Kidnapping. Doch gab es auch Verurteilungen wegen „fehlgeleiteter Ideen“, so SPA vage. Die Verbrechen beinhalten auch Reisen in Konfliktgebiete, in denen Terrororganisationen aktiv seien, heißt es aus dem Innenministerium in Riad. 37 der exekutierten saudischen Staatsbürger wurden in einem einzigen Verfahren zum Tode verurteilt, weil sie für schuldig befunden wurden, Polizisten ermordet und Polizeistationen und -konvois angegriffen zu haben. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur sei die Gruppe der Exekutierten von 13 Richtern in einem dreistufigen Verfahren verurteilt worden. Weitere Details wurden nicht genannt.

Saudi-Arabien rangiert nach dem Iran, Ägypten und dem Irak weltweit an vierter Stelle der vorgenommenen bekannten Exekutionen. Zahlen aus Ländern wie China, Nordkorea oder Syrien sind allerdings nicht bekannt.

Während Saudi-Arabien für seine harschen Todesurteile bekannt ist, sind Massenexekutionen dieser Art dort eigentlich selten. Die jetzige Exekutionswelle überschreitet sogar die Hinrichtungen in Folge des Angriffs und der Besetzung der großen Moschee von Mekka 1979. Damals brachten 500 militante Islamisten die Moschee in ihre Gewalt, dabei kamen wahrscheinlich über 1.000 Menschen ums Leben. Damals wurden nach der Befreiung der Moschee mit Hilfe französischer Elitetruppen 63 Menschen zum Tode verurteilt und geköpft.

Internationale Menschenrechtsorganisationen beklagen seit Jahren, dass es in Saudi-Arabien keine fairen Gerichtsverfahren gibt. Das Land besitzt kein kodifiziertes Strafrecht und die Richter haben weitreichende Befugnisse in ihrer Interpretation, die sich oft auf islamisches Recht beziehen. Erst vor wenigen Tagen war der saudische Blogger Raif Badawi nach einem Jahrzehnt Gefängnis freigelassen worden. Er war international in die Schlagzeilen geraten, nachdem er wegen islamkritischer Aussagen zu tausend Peitschenhieben verurteilt worden war, die dann aber nach der ersten Runde ausgesetzt wurden. Er ist jetzt aber noch mit einem weiteren zehnjährigen Ausreiseverbot belegt.

Dass Saudi-Arabien ausgerechnet jetzt die Massenexekution durchgeführt hat, könnte auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun haben. Das Königreich und sein Kronprinz Muhammad Bin Salam wurden wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018 international geächtet. Doch jetzt ist die Welt mit dem Krieg in der Ukraine abgelenkt. Zudem ist Saudi-Arabien wichtig, um den Öl- und Gasmarkt nach den Sanktionen gegen Russland zu stabilisieren. Da dürfte die europäische und amerikanische Kritik an saudischen Massenexekutionen begrenzt sein.