piwik no script img

Mit Baby und Kleinkind in der Massenunterkunft

Die Bremer Sozialbehörde will einer Roma-Familie keine Wohnung finanzieren – weil sie theoretisch abgeschoben werden könnte. Nun müssen sie in der Messehalle verweilen

Auch 2015 wurden in der Bremer Messehalle schon einmal notdürftige Unterkünfte für Asylsuchende geschaffen Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Von Eiken Bruhn

Isabella* ist 18 und hat noch nie in einer Wohnung gelebt, sagt sie. „Nur in Hallen und Wohnwagen.“ Gerade haust die Romni mit ihrem vor drei Wochen geborenen Säugling und ihrer anderthalb Jahre alten Tochter in einer provisorischen Massenunterkunft in einer Messehalle hinter dem Bremer Hauptbahnhof. Dort hätten sie keinen abgeschlossenen Raum für sich, sagt ihr Anwalt Sven Sommerfeldt. Vom nächsten Raum trennt sie nur eine Stellwand. „Es gibt keinerlei Privatsphäre“, sagt Sommerfeldt.

Dabei hätten sie eine Wohnung haben können, vier Zimmer in Bremen Nord. Keine der feinsten Adressen der Stadt, ein Brennpunkt-Viertel. Aber Isabella war froh, überhaupt eine Wohnung für sich und ihre Familie gefunden zu haben. Dazu gehören auch noch ihre Eltern, zwei Brüder und drei Cousins. Doch das Amt für soziale Dienste lehnte es ab, die Kosten der Wohnung zu übernehmen. Es begründet das damit, dass sie in Deutschland nur geduldet sind und jederzeit in ihr Herkunftsland Serbien abgeschoben werden können.

Das Problem ist nur: Isabella hat laut ihrem Anwalt Sven Sommerfeldt gar keine serbische Staatsbürgerschaft – und auch sonst keine. Es gibt keinen Staat, der sie zurücknehmen würde, wenn Deutschland sie nicht haben will. Sie ist staatenlos – wie so viele Angehörige der Roma und Sinti, aber auch anderer Völker, die nirgends willkommen sind. Deshalb, sagt Sommerfeldt, sei es sehr wahrscheinlich, dass sie weiter geduldet werde, da sie nirgendwohin abgeschoben werden könne. Er hat deshalb einen Eilantrag gegen den Ablehnungsbescheid des Amts gestellt. Ein einfacher Widerspruch reiche nicht aus, da es Monate dauere, bis darüber entschieden sei. Monate in der Messehalle?

Nein, nicht ganz. Denn zum einen sei diese Unterkunft wirklich ein Provisorium, sagt Bernd Schneider, Sprecher von Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann. Im Dezember schnell aufgebaut, nachdem im Frühherbst sehr viele Menschen aus den Balkan-Staaten eingereist waren, die man dringend unterbringen musste. Er gehe davon aus, dass die Halle im März wieder von der Messe benötigt werde, so Schneider.

Zum anderen habe das Amt für soziale Dienste der jungen Mutter einen Platz in einem Übergangsheim angeboten, für sich und ihre beiden Kinder. Auch eine Massenunterkunft, keine Wohnung, aber immerhin eine Zimmerdecke.

Das hat seine 18-jährige Mandantin abgelehnt, bestätigt ihr Anwalt. Sie kannte das Heim bereits und wollte nicht mehr dorthin zurück. Zudem wolle sie mit ihrer Familie zusammen bleiben. „Sie braucht die Unterstützung ihrer Eltern und sie brauchen ihre“, sagt Sommerfeldt.

Denn Isabella ist diejenige von ihnen, die Deutsch spricht. Sieben Jahre hat sie in Deutschland gelebt, ging in Bremen zur Schule. 2019 sei sie mit ihrer Familie nach Frankreich gezogen. „Wir konnten einfach nicht mehr“, erzählt sie. „Hier hat uns niemand geholfen.“

Es gibt keinen Staat, der sie zurück­nehmen würde, wenn Deutschland sie nicht haben will. Sie ist staatenlos

Doch nach zwei Jahren schickte Frankreich sie wieder zurück nach Deutschland. Hier hatte die Familie als erstes einen Asylantrag gestellt, nach dem Dublin-II-Abkommen kann sie ihn deshalb nicht ein zweites Mal in Frankreich stellen.

Der Sprecher der Sozialsenatorin sagte, das Amt für soziale Dienste bemühe sich weiter darum, die zehnköpfige Familie gemeinsam in einem Übergangsheim unterzubringen. Das sei aber nicht so leicht.

*Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen