Unabhängige Medien in Russland: Kampf um die Nachrichten

Die russische Aufsichtsbehörde setzt unabhängige Medien unter Druck. Begriffe wie „Überfall“, „Kriegserklärung“ und „Invasion“ sind verboten.

Polizisten nehmen Menschen fest

Die russische Polizei nimmt am Donnerstag in Moskau Menschen fest, die gegen den Krieg protestieren Foto: Evgeny Odinokov/imago

MOSKAU taz | Russlands mediale Aufsichtsbehörde „Roskomnadsor“ mahnt die letzten unabhängigen russischen Medien, Gebrauch und „Verbreitung von unverlässlichen, für die Öffentlichkeit bedeutenden Informationen“ zu vermeiden. Zu diesen Medien zählen die Nowaja Gaseta, die am Tag des Überfalls in einer russisch-ukrainischen Ausgabe erschien. Darüber hinaus wurden auch Rundfunksender Echo Moskau verwarnt, der TV-Sender Doschd, der unabhängige Medienbeobachter Mediazona und die New Times. Echo Moskau warnt in einem Jingle die Hörer halbstündlich davor, unbestätigten Informationen Vertrauen zu schenken.

Begriffe wie „Überfall“, „Kriegserklärung“ und „Invasion“ sind seit Ende letzter Woche verboten. Die Behörde fordert Medien auf, die Seiten zu löschen, die diese Begriffe verwenden. Moskau ist darum bemüht, trotz breitflächigen Einmarsches, den Überfall auf die Ukraine wie eine unbedeutendere „Strafaktion“ aussehen zu lassen. Den Medien wird vorgeworfen, „unzutreffende Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und zivile Opfer“ zu verbreiten. Verlässliche Informationen, so die Aufsichtsbehörde, seien nur in „offiziellen Ausgaben“ zu finden.

Immer mehr russische Bürger wenden sich seit dem Feldzug gegen die Ukraine indes anderen Informationsquellen zu, schrieb der US-Sender Radio Svoboda. Die Aufsichtsbehörde „Roskomnadsor“ soll bereits Strafen in Höhe von 5 Millio­nen Rubel (52.000 Euro) gegen den Sender verfügt haben. Das russische Verteidigungsministerium bezichtigte die Nowaja Gaseta bereits Ende der Woche, „Fake-Informationen“ zu verbreiten, die angeblich von ukrainischen „Nationalisten“ und dem Geheimdienst SBU vorbereitet und verbreitet würden.

Die Nowaja Gaseta wandte sich über Telegram an das Ministerium mit der Bitte, Verlustzahlen während des Einmarsches bekannt zu geben. „Wenn wir Ihre Informationen veröffentlichen sollen, müssen Sie uns diese zugänglich machen“, schrieb die Zeitung am Freitag. Das Schreiben wurde vom Ministerium nicht beantwortet.

Protest gegen den Krieg lauter

Am Freitag gingen auch verschiedene russische Provider gegen den Twitter-Dienst vor. Der unabhängige Internetdienst NetBlock teilte bereits vorher mit, bei der Nutzung Twitters sei mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen. NetBlock erklärte das mit dem Vor­gehen gegen soziale Medien und Plattformen in Verbindung mit dem Ukrainekonflikt. Am Donnerstag hatte die russische Medienaufsicht überdies bereits gewarnt, Facebook hätte die offiziellen Seiten staatlicher Infoanbieter blockiert. Darunter fielen der TV-Militärsender Swesda (Zvesda) und die staatliche Agentur RIA Novosti.

Der Protest gegen den Krieg ist in den letzten Tagen in Russland lauter geworden. Die Polizei nahm in den ersten beiden Kriegstagen rund 2.000 Menschen in 60 Städten landesweit fest. Die Sicherheitskräfte seien mit beispielloser Härte vorgegangen, berichteten Beobachter in den sozialen Medien. Rund 100 Journalisten wandten sich mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit. Unter ihnen waren auch Mitarbeiter der staatlichen Agentur TASS und des Propagandasenders RT (Russia Today). Der TV-Moderator Iwan Urgant vom Ersten Kanal sprach sich am Donnerstag gegen den Krieg aus. Am Freitag war er nicht mehr Chef der eigenen Show.

Dass der Krieg der russischen Gesellschaft nicht gleichgültig ist, belegt eine Petition, die der 80-jährige Menschenrechtler Lew Ponomarew auf change.org lanciert. Demnächst könnten 1 Million Unterschriften von Kriegsgegnern zusammenkommen. Eine vergleichbare Petition hatte es in der russischen Geschichte bislang nicht gegeben. Gleichwohl hat nach dem Vorgehen des Kreml gegen den Oppositionellen Alexei Nawalny Anfang 2021 der sichtbare Protest in Russland nachgelassen.

Verlustzahlen lassen sich auf beiden Seiten nicht bestätigen. Offensichtlich scheinen die Invasoren jedoch damit gerechnet zu haben, wesentlich schneller voranzukommen. Angeblich soll Moskau bereits am vierten Kriegstag frische Kräfte in das besetzte Gebiet beordern. Russland gibt die Verluste nicht bekannt. Sie scheinen höher zu sein, als erwartet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.