Ein Räumungsstreit vor Gericht: Schlüsselfrage Mieterschutz

Neue Masche gegen den Mieterschutz: Mit einem so dubiosen wie aufwendigen Konstrukt hebelt Berliner Eigentümer Mieterschutz aus.

Ein Schlüssel steckt im Schloss einer Wohnungstür

Ob auch Fake-Mieter einen Schlüssel zum Schloss haben? Foto: dpa

BERLIN taz | Kennen Sie Vermieterwitze? Treffen sich zwei Vermieter. Sagt der eine: „Wieso meckern die Leute eigentlich immer über uns? Wir machen doch gar nichts.“ Oder: Was ist der Unterschied zwischen Holz und einem Vermieter? Holz arbeitet. Oder: Was ist die seltenste Flüssigkeit der Welt? Vermieterschweiß.

Flachwitze wie diese tun Vermietern natürlich gnadenlos Unrecht. Zwar leisten Vermieter natürlich keine Arbeit im strengeren Sinne, weil sie von ihrem Kapital leben und denkbar wenig zur tatsächlichen Wertschöpfung beitragen. Aber vielleicht sollte man die „Arbeit“ der Vermieter einfach in anderen Kategorien messen. In menschlichem Leid zum Beispiel.

Ein besonderes Prachtexemplar der Sorte ruchloser Vermieter mit dem Namen Dornröschen Immobilien GmbH wurde vergangenen Dienstag am Amtsgericht Kreuzberg wachgeküsst. Dornröschen versuchte eine Räumungsklage gegen ein Pärchen durchzudrücken und gab dabei versehentlich ihre Masche preis, um sämtliche Mechanismen des Mieter- und Milieuschutzes in dem ohnehin schon stark von Verdrängung betroffenen Berliner Stadtteil zu umgehen.

Mit Fake-Hauptmieter und Untermiet-Knebelverträgen wollte der Vermieter maximale Rendite erzielen

Mit Fake-Hauptmieter und befristeten Untermiet-Knebelverträgen wollte der Vermieter offenbar maximale Rendite erzielen. Der Eigentümer, der sich hinter einem dubiosen Firmenkonstrukt und einer Hausverwaltung versteckt, hat offenbar kurzerhand Strohmänner bestellt, die bei ihm als Hauptmieter fungieren. Neue Verträge vergibt er nur über Untermiete. Und sollte irgendjemand auf die freche und kapitalfeindliche Idee kommen, die Mietpreisbremse zu ziehen, fliegt er halt raus. Viel Glück bei der Wohnungssuche.

Besonders praktisch: Sobald das Haus in Einzelwohnungen aufgeteilt und Eigentum für die maximale Rendite umwandelbar ist, laufen die befristeten Untermietverträge in dem Haus aus. Der bezirkliche Milieuschutz bei Umwandlung in Eigentum greift hier ab 2024 nicht mehr. Der Untermietvertrag lief zufällig genau so lang.

Entmietung leicht gemacht: Gleich zehn Parteien haben in dem sanierten Altbau mit ähnlich konstruierten Untermietverträgen zu tun, wie es vor Gericht hieß und auch ein Nachbar bestätigte.

Ein Urteil erging allerdings noch nicht. Im Rechtsstreit um die Räumungsklage will die Richterin erst mal auch die aus ihrer Sicht bestehenden Dubiositäten im Fall durchschauen. Dornröschens Anwalt streitet hingegen alles ab, legte aber bislang nicht einmal einen gültigen Hauptmietvertrag vor. Der angebliche Hauptmieter lebt laut Vermieterlegende im Ausland und habe 2024 zurückkommen wollen. Als die Mieter dann die Mietpreisbremse zogen, kündigte der angeblich Weltreisende plötzlich. Per Melderegisterauskunft fanden die Mieter und ihr Anwalt immerhin heraus, dass der Hauptmieter existiert. Allerdings lebt der nicht im Ausland, sondern seit 1998 in einem Einfamilienhaus mit Garten im brandenburgischen Blankenfelde. In Kreuzberg wohnte er nie. Und wohl nur zufällig arbeitet er in der Firma des Eigentümers.

Der Eigentümer verfügt noch über weitere Unternehmen, die unter Namen wie Schneeweißchen, Rotkäppchen und High Five firmieren. Möglicherweise zieht er also seine mutmaßliche Masche auch anderswo ab.

Eines muss man ihm aber doch lassen: sich komplizierte Konstruktionen auszudenken, durchzuziehen und sich noch guten Gewissens im Spiegel anschauen zu können, ist ja auch eine Art Arbeit.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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