Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag: Brinkhaus verzichtet, Merz gewinnt
Der Chef der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, verzichtet auf eine erneute Kandidatur. Damit wird Friedrich Merz zum klaren Machtzentrum der CDU.
Brinkhaus hatte am Donnerstagabend seinen Verzicht angekündigt. In einem bemerkenswert offenen Brief an die Abgeordneten, der der taz vorliegt, schreibt er, dass Merz ihn darüber informiert habe, dass dieser sich auf jeden Fall um den Fraktionsvorsitz bewerben wolle. Und weiter: „Es ist kein Geheimnis, dass bezüglich des Fraktionsvorsitzes zwischen Friedrich Merz und mir unterschiedliche Auffassungen bestehen, die wir auch nicht ausräumen konnten.“ Daraus aber dürfe kein Dissens werden, der der Union schade. Er schlage eine vorgezogene Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden in der nächsten Plenarwoche, also am 15. Februar, vor und werde selbst nicht noch einmal antreten.
Damit nimmt Brinkhaus sich aus einem Machtkampf, den er aller Voraussicht nach verloren hätte. Denn nach all den Streitigkeiten der vergangenen Jahre hätte wohl kaum jemand in der Fraktion den neuen CDU-Chef Merz kurz nach seiner Wahl gleich demontieren wollen. Brinkhaus hatte lange daran festgehalten, dass er als Fraktionschef weiter machen will. Nach dem überragenden Ergebnis bei Merz Wahl – fast 95 Prozent der Delegierten hatten am Wochenende für den neuen Parteichef gestimmt – und dessen wohl klarer Ansage aber blieb Brinkhaus eigentlich nur der Verzicht – oder die große Gefahr einer Niederlage.
In der Union war bereits befürchtet worden, dass ausgerechnet kurz vor den wichtigen Landtagswahlen ein neuer Machtkampf die CDU schwächen könnte. Im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen kämpfen drei CDU-Ministerpräsidenten im März und Mai um ihre Wiederwahl. Spitzenpolitiker der Union äußerten sich anerkennend über Brinkhaus Entscheidung: „Großen Respekt für @rbrinkhaus und danke für die gute Arbeit als Vorsitzender der @cducsubt in schwierigen Zeiten“, schrieb Noch-CDU- Generalsekretär Paul Ziemiak auf Twitter.
Merz äußerte sich anerkennend
Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt twitterte: „Das ist eine zukunftsweisende und höchst respektable Entscheidung von Ralph Brinkhaus. Er stellt sich damit voll in den Dienst von Fraktion und Partei. Das verdient größten Respekt und Anerkennung.“ In der CSU allerdings dürfte man Merz' neue Machtfülle nicht nur positiv sehen, zumal CSU-Chef Markus Söder lange keinen Hehl daraus gemacht hat, dass er in Merz eher einen Mann von gestern als einen der Zukunft sieht.
Merz hatte bis zuletzt offen gelassen, ob er auch Fraktionschef werden will, um sich die Rolle des Oppositionsführers im Bundestag zu sichern. So hatte es 2002 die damalige CDU-Chefin Angela Merkel gemacht – und Merz nach nur zwei Jahren von diesem Posten verdrängt. Merz hatte noch am Samstagabend im ZDF zum Fraktionsvorsitz gesagt: „Das ist eine Frage, die im Augenblick nicht auf der Tagesordnung steht. Und wenn sie auf der Tagesordnung steht, besprechen wir sie.“
Auch Merz äußerte sich noch am Abend anerkennend über den Verzicht von Brinkhaus. „Auch wenn wir in der Sache unterschiedlicher Auffassung waren, so danke ich Ralph Brinkhaus für seine Bereitschaft, die beiden Aufgaben des Vorsitzenden in Partei und Fraktion in eine Hand zu legen“, sagte Merz der dpa. Und ergänzte: „Wir bündeln damit die Arbeit in Partei und Fraktion.“ Brinkhaus bleibe „aktives und wichtiges Mitglied unserer Bundestagsfraktion, ich werde seine Fähigkeiten und seine Unterstützung gern in Anspruch nehmen.“ Brinkhaus selbst war im Herbst 2018 in einer Kampfabstimmung gegen den Merkel-Vertrauten Volker Kauder Fraktionschef geworden.
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