Rechtsextreme mit offenen Haftbefehlen: Abgetauchte Neonazis hatten Waffen

Die Polizei sucht 596 Rechtsextreme mit Haftbefehlen.Einige der Abgetauchten besaßen Waffen. Die Linke fordert Aufklärung.

Ein Polizeiauto steht an einem Straßenrand.

Innenministerin Nancy Faeser versichert, dass „mit Nachdruck“ nach den Gesuchten gefahndet werde Foto: Political Moments/imago

BERLIN taz | Die Zahl steigt stetig an. Nach 596 Rechtsextremen fahndeten die Ermittlungsbehörden zuletzt wegen offener Haftbefehle – im vergangenen März waren es noch 459. Die meisten der Abgetauchten wurden jedoch nicht wegen politischer Straftaten gesucht, teilte das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) mit. Nun aber wird bekannt, dass einige Fälle doch heikler sind: Denn die Gesuchten hantierten mit Waffen.

So suchte die Polizei 15 der Abgetauchten wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, wie aus einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion an das Innenministerium hervorgeht, die der taz vorliegt. Die Zahlen sind vom Stichtag 30. September 2021. Wie viele der untergetauchten Rechtsextremen zudem legal Waffen besaßen, lässt das Ministerium unbeantwortet – dies könnten nur die Länder beantworten.

„Wir sollten alarmiert sein, wenn es offene Haftbefehle wegen Verstößen gegen das Waffengesetz gibt“, erklärt die Linken-Innenexpertin Martina Renner, die die Anfrage stellte. „Die Behörden müssen hier dringend handeln. Von bewaffneten Neonazis geht eine gesteigerte Gefahr aus.“ Renner forderte die Bundesregierung auf, sich einen Überblick zu verschaffen, wie viele der Gesuchten über Waffenberechtigungen verfügten.

In einem Fall auch Terrorvorwürfe

Bei einem Fall der Abgetauchten geht es zudem um Terrorismusvorwürfe, wie schon vorher bekannt wurde – Genaueres teilte das Innenministerium dazu aber nicht mit. Zu den gesuchten Rechtsextremen zählen außerdem zwei Gefährder, denen die Polizei schwere Straftaten bis hin zu Anschlägen zutraut. 147 Rechtsextreme werden wegen Gewaltdelikten gesucht. 24 von ihnen hatten Taten verübt, die als politisch motiviert eingestuft wurden – etwa Übergriffe auf Andersdenkende oder Polizeikräfte. Zudem basieren 125 Haftbefehle auf weiteren rechten Straftaten wie Volksverhetzung oder Beleidigungen.

Gegen einige der Rechtsextremen lagen gleich mehrere offene Haftbefehle vor: insgesamt 788. Ein Haftbefehl ist bereits seit 2011 offen, zwölf seit fünf Jahren. Die meisten Haftbefehle – 469 – stammten aus dem vergangenen Jahr. Und in der Mehrzahl, in 447 Fällen, wurden die Rechtsextremen wegen Allgemeinkriminalität gesucht: etwa Diebstahl, Betrug oder Verkehrsdelikte.

Ministerium versichert Fahndung „mit Nachdruck“

Das Innenministerium beteuerte, es werde „mit Nachdruck“ nach den Gesuchten gefahndet. Von März bis September 2021 seien insgesamt 237 Haftbefehle vollstreckt worden oder hätten sich erledigten, etwa weil die Betroffenen Geldstrafen zahlten.

Die verschwundenen Rechtsextremen bleiben heikel, weil es mit dem NSU-Terror schon einmal ein Fiasko gab. Die Thüringer Rechtsextremen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren 1998 nach Sprengstofffunden abgetaucht – und verübten in den Folgejahren unerkannt zehn Morde und drei Anschläge.

Aktuell ist etwa der nach rechts abgedriftete Verschwörungsideologe Attila Hildmann untergetaucht. Davor hatte er wüste Gewaltaufrufe veröffentlicht. Zu ihm liegt ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten vor. Er soll sich in der Türkei befinden.

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