Räumungsprozess um die Rigaer Straße 94: Chance auf 650 Euro kalt

Das Gericht schlägt in einer mündlichen Verhandlung eine Legalisierung der Kadterschmiede vor. Beide Seiten wollen nun über den Vorschlag beraten.

Eingang der Autonomenkneipe Kadterschmiede

In der Kadterschmiede dürfte diese Woche über den Vorschlag des Gerichts pleniert werden Foto: dpa

BERLIN taz | Am Ende gab es eine überraschende Wendung in der unendlichen Geschichte: Die Richterin im Zivilstreit um die Räumung der Autonomenkneipe Kadterschmiede in der teilbesetzten Rigaer Straße 94 fragte die Vor­stän­d*in­nen des Unterstützervereins: „Kann man das nicht auf friedliche Beine stellen mit einem Nutzungsvertrag?“ Es sei „doch irre“, was allein an Kosten durch Verfahren entstanden sei. Gäbe es nicht die grundsätzliche Bereitschaft beim Verein, „nach vorne zu gucken“ und Zeit sowie Kosten für sinnvollere Dinge einzusetzen?

Obwohl eine gütliche Einigung zwischen der Kadterschmiede und der Immobilienfirma Lafone zuvor bereits gescheitert war, regte die Richterin während der mündlichen Hauptverhandlungen am Montag noch mal einen verlockend klingenden „Vergleich auf Widerruf“ an. Das Gericht schlug vor, die Nutzung der Kadterschmiede mit einem Mietvertrag ab dem 1. März für 650 Euro monatlich zu legalisieren – bei gleichzeitigem Verzicht auf rückwirkende Entschädigungen des anonymen Eigentümers.

Zwei Vor­stän­d*in­nen des Vereins „Freunde der Kadterschmiede“ – eine Person mit einem brennenden Polizeiauto auf dem Shirt und die andere halb versteckt unter einer Kapuze nebst obligatorischem Mundschutz – blieben eine direkte Antwort zwar schuldig, aber flüsterten nach kurzer Beratung einem ihrer Vertreter etwas zu.

Ihr Rechtsanwalt Lukas Theune sagte danach: „Grundsätzlich wäre das schon was.“ Allerdings dürfe man auch nicht aus dem Blick verlieren, dass noch Räumungsklagen in mehreren Wohnverhältnissen anhängig seien, die einer Gesamtbefriedung im Weg stünden, so Theune. Aber klar wolle man in den Räumen bleiben und wäre bereit, darüber ins Gespräch zu kommen.

„Basisdemokratische Entscheidung erforderlich“

Zu dem von der Richterin angeregten „Vergleich auf Widerruf“ kam es allerdings nicht. Zwar erklärte sich der Kläger, die Lafone Investments Ltd., eine englische Briefkastenfirma, deren Rechtsfähigkeit strittig ist, zu einer vorläufigen Einigung bereit. Aber der Verein „Freunde der Kadterschmiede“ will alles zunächst intern diskutieren – „es ist eine basisdemokratische Entscheidung erforderlich“, hieß es.

Vor dieser Wendung hatten sich beide Parteien in altbewährter Manier darüber gestritten, ob die Briefkastenfirma überhaupt rechtsfähig sei. Oder ob die britische Limited als dubioses Firmenkonstrukt nicht spätestens mit dem Brexit niemanden in Deutschland verklagen könne.

Die Vorsitzende Richterin ließ durchblicken, dass dieser Nachweis tatsächlich schwierig werden könnte für die Eigentümer. Zumal der Eindruck entstanden sei, dass die Haupttätigkeit der in England Steuern zahlenden Gesellschaft in Berlin läge. Bei einem parallelen Räumungsverfahren gegen einen Bewohner am Amtsgericht Kreuzberg will das Gericht über diese knifflige Frage ein Gutachten einholen.

Nun haben beide Seiten erneut Bedenkzeit und Gelegenheit, ergänzende Ausführungen zur mündlichen Verhandlung zu machen. Kommt es zu keiner Einigung, soll ein Urteil am 21. März fallen – wie gewohnt unter scharfen Sicherheitsauflagen.

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