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Philosoph zu Au­to­bahn­blo­ckie­re­r:in­nen„Absichtlich rechtswidrig“

Klimaaktivisten blockieren Autobahnen und wollen Flughäfen stilllegen. Ist das noch legitim? Der Sozialphilosoph Robin Celikates sieht genauer hin.

Sitzblockade im Hamburger Hafen, 21. Februar 2022 Foto: Fritz Engel
Ruth Lang Fuentes
Interview von Ruth Lang Fuentes

taz: Herr Celikates, durch Kohlebaggerblockaden, Waldbesetzungen und Schulstreiks vonseiten der Klimabewegung hat der Begriff des „zivilen Ungehorsams“ erneut an Aufmerksamkeit gewonnen. Seit Ende Januar blockieren Ak­ti­vis­t:in­nen der „letzten Generation“ fast täglich Autobahnen und nun auch Straßen im Hamburger Hafen. Was definiert zivilen Ungehorsam?

Robin Celikates: Zivilen Ungehorsam zeichnen vor allem zwei Elemente aus: Er hat im Unterschied zu legalen Formen des Protests einen absichtlich rechtswidrigen Charakter. Und er ist nicht bloß symbolisch, sondern greift auf eine disruptive Art und Weise in die tägliche Ordnung ein. Er soll Aufmerksamkeit generieren und die Dringlichkeit des Anliegens unterstreichen. Es handelt sich nicht um rein kriminelle Taten oder unmotivierte Randale, sondern um einen prinzipienbasierten Protest. Die Akteure berufen sich auf anerkannte moralische, politische, zum Teil rechtliche Prinzipien und wollen bestimmte Veränderungen erreichen. Im Unterschied zu einem militanten Aufstand sind die Aktionsformen dabei, auch wenn sie vielen radikal erscheinen, ziemlich gemäßigt und verzichten auf organisierte Gewalt.

Ricarda Lang findet zivilen Ungehorsam legitim, solange es friedlich ist. Ihrer Definition zufolge ist er doch immer friedlich?

Im Interview: Robin Celikates

ist ein deutscher Philosoph und Sozialwissenschaftler. Er ist Professor für Praktische Philosophie mit den Schwerpunkten Sozialphilo­sophie und Anthropologie am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Das Wort „zivil“ wird manchmal so interpretiert, dass ziviler Ungehorsam gewaltlos oder friedlich sein muss. In Deutschland kann eine Sitzblockade – eigentlich ein paradigmatisches Beispiel für gewaltfreien Ungehorsam – jedoch als eine gewaltsame Nötigung aus Sicht des Strafrechts erscheinen. Moralische Helden wie Martin Luther King oder Gandhi, die heute für friedlichen Ungehorsam stehen, wurden zu ihrer Zeit als gewaltsame Terroristen diffamiert. Heute sieht man ähnliche Dynamiken. Für mich ist eine Blockade auf der Autobahn zunächst einmal eine friedliche Form des Protestes. Nur weil Leute auf zum Teil natürlich sehr unangenehme Weise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, ist das nicht per se gewaltsam. Man muss also genau prüfen, was mit „friedlich“ und „zivil“ jeweils gemeint ist.

Henry David Thoreau, Begründer des heutigen „zivilen Ungehorsams“, sagte: „Nur eine einzige Verpflichtung bin ich berechtigt einzugehen und das ist jederzeit zu tun, was mir gerecht scheint.“ Der „Aufstand der letzten Generation“ besteht aus vielleicht höchstens 100 Leuten in ganz Deutschland. Welche Legitimation hat ihr ziviler Ungehorsam?

Dieses Thoreau-Zitat ist bedenklich und weist auf die Gefahren eines individualistischen zivilen Ungehorsams hin, bei dem es egal ist, ob man sich auf geteilte Prinzipien bezieht oder andere überzeugen kann. Auch Hannah Arendt kritisierte das scharf: „Woher weiß ich, dass du ein moralischer Held und kein Fanatiker bist? Du musst deine Prinzipien auch im Dialog mit anderen erläutern.“ Die Ak­ti­vis­t:in­nen tragen die Verantwortung, ihre Gründe darzulegen und zu erklären, warum ziviler Ungehorsam der einzige Weg ist, dafür einzustehen. Der Ungehorsam kann sich ja sogar auf Prinzipien berufen, die im Grundgesetz verankert sind, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit oder die Verantwortung für zukünftige Generationen. Über diese Prinzipien besteht erstmal kein Dissens. Nur haben die Protestierenden eine viel weitergehende Interpretation, zu was uns diese Prinzipien konkret verpflichten, und weisen darauf hin, dass die aktuelle rechtliche Lage und die politischen Verhältnisse weit hinter diesen Selbstverpflichtungen zurückbleiben.

Zu sagen: Wir blockieren Autobahnen, bis das Essen-Retten-Gesetz steht. Ist das nicht Erpressung?

Der Vorwurf trifft nicht. Erpressung heißt, anderen durch Androhung von Gewalt oder tatsächliche Gewalt etwas abzunehmen, um sich selbst zu bereichern. Die Ak­ti­vis­t:in­nen wollen ja kein Lösegeld von Olaf Scholz. Sie wollen, dass im allgemeinen Interesse der jüngeren Generationen gehandelt wird. Die Diffamierung als Erpressung, die man aus der Bild-Zeitung oder konservativen Kreisen kennt, geht an der Realität des Protestes vorbei. Die Ak­ti­vis­t:in­nen wollen die Politik zum Handeln bewegen, indem die Kosten durch Blockaden in die Höhe getrieben werden. Wenn man keine zusätzliche Überzeugungsarbeit leistet, riskiert man aber den Vorwurf der Nötigung. Deswegen muss man auch versuchen, zu überzeugen. Das wird bei den Leuten in den Autos natürlich schwer sein, auch wenn deren Reaktionen sicher gemischt sind. Es geht um die breite Öffentlichkeit.

Kann ziviler Ungehorsam, der in der Gesellschaft zu viel mehr Unmut führt als Überzeugung, überhaupt effektiv sein, um seine Ziele zu erreichen?

Die Frage ist: Was ist das Ziel, und bringt dieses Mittel uns dem Ziel näher? Bringt man die Autofahrer auf die eigene Seite? Eher nein. Bekommt man viel mediale Aufmerksamkeit? Ja. Insofern ist die Strategie aufgegangen. Allerdings wird zu wenig über das gerechtfertigte Ziel gesprochen. Alle reden über den Krankenwagen, der nicht durchkommt und über die schwangere Frau. Das liegt auch daran, dass der genaue Zusammenhang zwischen der Blockade der Autobahn und dem Anliegen nicht auf der Hand liegt, wie es zum Beispiel bei einer Castor-Blockade der Fall ist. Wenn es bei der Diskussion nur noch um die Skandalisierung der Mittel geht, muss man sich überlegen, ob es andere bessere Adressaten für Blockaden gäbe, etwa Lebensmittelkonzerne oder Ministerien.

Darf die Regierung überhaupt nachgeben? Besteht nicht die Gefahr, dass trotz gerechtfertigter Forderungen bei Erfolg der Aktionen je­de:r anfängt, für seine individuellen Überzeugungen und Ziele zu solchen Mitteln zu greifen und unsere Infrastruktur kollabiert?

Es braucht schon eine sehr starke moralische Überzeugung, um die Risiken des Ungehorsams in Kauf zu nehmen und sowas auch durchzuziehen. Viele Errungenschaften der Demokratie, die wir heute für gegeben halten, sind Ergebnis genau solcher Kämpfe. Sie haben dazu geführt, dass heute Frauen gleiche Rechte haben wie Männer oder Mi­gran­t:in­nen mehr Rechte als vor ein paar Jahrzehnten. Sowas passiert meistens nicht aus Eigeninitiative des politischen Systems heraus, sondern muss auf den Straßen erkämpft werden. Daher ist ziviler Ungehorsam ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, ja der Demokratisierung der Demokratie. Die Regierung soll ja auch nicht einfach nachgeben, sondern auf die inhaltlich richtige Argumentation eingehen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Das ist kein Eingeständnis von Schwäche. Frankreich ist auch nicht untergegangen, nur weil es dort ein Gesetz gibt, das das Wegwerfen von Lebensmitteln verbietet.

Eigentlich möchte man meinen, dass man gerade in Demokratien eben keinen zivilen Ungehorsam braucht. Ist er ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt an der Demokratie?

Die Demokratie ist erstmal die Idee einer politischen Gemeinschaft, in der sich der Demos, das Volk selbst regiert. In der Realität haben wir komplexe Massengesellschaften, in denen diese Idee durch ein sehr kompliziertes politisches System der Repräsentation umgesetzt wird. Es kommt unweigerlich zu Demokratiedefiziten. Bestimmte Akteursgruppen sind formal ausgeschlossen. So dürfen unter 18-Jährige nicht wählen. Nicht alle Akteursgruppen haben dieselben Ressourcen. Es gibt Lobbyismus hinter den Kulissen, Sichtweisen, die an den Rand gedrängt werden, und Gruppen von Menschen, die nicht ernst genommen werden. Deswegen gehören Formen des Protests wie ziviler Ungehorsam, die den Staat daran erinnern, dass er eigentlich nur der Selbstregierung der politischen Gemeinschaft dient und nicht umgekehrt, wesentlich zur Demokratie und sind keine antidemokratischen Praktiken.

Ziviler Ungehorsam ist also kein Zeichen von Frust innerhalb der Klimabewegung?

Klar, man greift zu diesem Mittel nur dann, wenn man anders nicht weiterkommt. Ungehorsam sollte aber nicht so negativ betrachtet werden, denn er zeugt von der Lebendigkeit der Idee der Demokratie und nicht allein von Frust oder Ausweglosigkeit. Natürlich gibt es in Black Lives Matter oder der Klimabewegung das Gefühl, es wird schon so lange über die Probleme geredet und es passiert einfach nichts. Das ist eine sehr frustrierende Erfahrung. Zugleich reihen sie sich in eine lange Geschichte des gar nicht so erfolglosen Protests und Ungehorsams ein, die wir heute in ihrem demokratischen Wert anerkennen wie die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung oder die Frauenbewegung. Sofern unsere Demokratie demokratisch zu nennen ist, verdanken wir das wesentlich diesen Bewegungen. Und die Klimabewegung hat es geschafft, den politischen und öffentlichen Diskurs zu verändern. Das Verständnis für Aktionen wie Autobahnblockaden ist trotz aller Schwierigkeiten viel höher als vor ein paar Jahren.

Wie hoch ist die Gefahr, dass sich Gruppierungen, die zivilen Ungehorsam ausüben, der nicht zum Erfolg führt, noch weiter radikalisieren?

Die Klimakrise wird sich auf jeden Fall in den nächsten Jahren und Jahrzehnten massiv zuspitzen, egal welche Maßnahmen die Politik heute auf den Weg bringt. Politische Konflikte werden sich somit auch zuspitzen. Umso mehr, je mehr der Eindruck entsteht, die Politik begreife den Ernst der Lage nicht. Aber ich sehe momentan wenig Anzeichen für die an die Wand gemalte Radikalisierung. Es gibt keine grüne RAF, keinen Ökoterrorismus und bisher keine Anzeichen dafür, dass die Leute in den Untergrund gehen. Es ist aber wichtig, dass die Bewegung selbst frühzeitig Radikalisierung in die falsche Richtung erkennt und der Idee und Praxis des Ungehorsams als Teil der Demokratie verpflichtet bleibt.

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31 Kommentare

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  • " Alle reden über den Krankenwagen, der nicht durchkommt und über die schwangere Frau."

    Ansonsten stehen alle im Stau mit demselben Ergebnis...

  • Es braucht keinen philosophischen oder politischen Unterbau für derlei Aktionen, deren Ziel allgemein anerkannt ist (neupol: ein Konsens besteht). Die Wirklichkeit sieht aber so aus, dass keiner etwas dafür tun möchte, weil es zur Zeit mit Verschwendung, Massentierhaltung, Billigimporten so schön bequem ist und nach mir die Sintflut. Was haben freiwillige Appelle bislang gebracht? Nicht mal ein einziger fleischfreier Tag ist in Kantinen durchzusetzen (wobei es hier nicht nur um Fleischkonsum geht). Die Masse an weggeworfenen Lebensmitteln hat nicht ab-sondern zugenommen. Wie zum Hohn, um diese Zustaände juristisch zu untermauern, ist das „Containern“ eine Straftat, das Wegwerfen von brauchbaren Lebensmitteln und die vorgelagerte Ausbeutung von Mitgeschöfpfen gar nicht und die Ausbeutung von Armutsarbeitertn in anderen Ländern auch nicht.

  • "Eigentlich möchte man meinen, dass man gerade in Demokratien eben keinen zivilen Ungehorsam braucht." Diese Aussage hat mich sehr überrascht. Ziviler Ungehorsam ist das Mindestmaß das jede Demokratie braucht, um nicht früher oder später im Filz zu versacken. Im übrigen kann ein Land nicht demokratisch sein, wenn Besitzverhältnisse und Produktionsmittel extrem ungleich verteilt sind. Denn es gibt keine davon unabhängige Meinungsbildung und Machtausübung. Zum Glück sind hiesige Verhältnisse toleranter als andernorts, doch auch hier gilt Schluss mit lustig, wenn es wirklich droht, unangenehm zu werden. Da wird dann bspw. das Bankenviertel in Frankfurt ganz flott mal zur demo-freien Zone erklärt... #occupy Ohne Nachdruck aus der Zivilgesellschaft ist auch die parl. Demokratie nicht dauerhaft überlebensfähig. Für Demokratie muss tagein, tagaus aktiv gestritten werden, andernfalls verwelkt sie wie eine schöne Blume.

  • Betroffen von den Blockaden ist aber nicht Olaf Scholz, wie der Herr Celikates meint, sondern Frau Hinz und Herr Kunz. Und die können bei so etwas auch ganz schön in Schwierigkeiten geraten. Von daher ist das dann doch Nötigung, weil ihnen etwas weggenommen wird: die Bewegungsfreiheit.

    • @resto:

      Aha. Da sowieso jeden Tag die Stadtautobahn verstaut ist: Nötigen sich die AutofahrerInnen nicht gegenseitig? Um die Bewegungsfreiheit zurückzuerlangen, würde ein Verzicht auf die Autofahrt ausreichen.

      • @Armin Kneifel:

        Fragen Sie einmal Handwerker, Ärzte und andere, wie diese auf ihr Fahrzeug verzichten können. Btw bin ich autofrei. Und das hat auch Nachteile, z.B. ins spät am Abend stattfindende Jazzkonzert zu gehen, wo es dann nach 23 Uhr keine Busverbindung zu mir ins Dorf mehr gibt etc.pp.. Trotzdem möchte ich Autofahrende nicht nötigen.

        • @resto:

          Das nennt man dann wohl Todschlagargument.

          Erstens geht es nicht um das Auto an sich, sondern den durch den Antrieb verursachten CO2 Ausstoß.

          Zweitens: wie viele Autos prozentual täglich werden von Handwerkern oder Ärztin gesteuert?

  • Thoreau, Gandhi, King u.a. haben sich gegen die tatsächliche Unterdrückung von Menschen durch Menschen bzw. die Unterdrückung von Menschen durch den Staat gewendet.



    Sich auf ihre Gedanken zur Legitimation nahezu jeglicher Aktionen gegen durchaus kritikwürdige staatliche und gesellschaftliche Mißstände berufen zu wollen , ist zumindest kategorial zu kritisieren.

    • @horsefeathers:

      Nichteinhalten von Klimazielen, ungenügende Maßnahmen/Politik bedeutet Unterdrückung der jüngeren Generationen. Deren existenzielle Interessen sind bzw. werden bedroht.

  • RS
    Ria Sauter

    Sollen wir Rentner/innen angesichts der gekappten diesjährigen Rentenerhöhung auch irgendwas blockieren. Uns mit den Rollatoren auf Gehwegen festkleben?



    Die Autobahn ist ja schon blockiert. Mit dem Gehweg ist die Wirtschaft dann komplett lahmgelegt.

    • @Ria Sauter:

      Warum nicht? Das klingt nach einem sinnvollem Bündnis.

  • Vielleicht sollte man die Beurteilung Legitimität doch besser den Juristen als den Philosophen überlassen.

    • @Frank Stippel:

      Nein. Juristen sind voreingenommen und befangen.

    • @Frank Stippel:

      Wieso? Moral und Ethik sind doch Teile der Philosophie. Ebenso sind menschlicher Umgang untereinander, Gesellschaftsform - wie sich Gesellschaft/Menschen organisieren, inwieweit Mitbestimmung da sein soll, philosophische Themen/Fragen. Platon, Aristoteles, Kant, Rousseau, Kropotkin ...

  • Vielen Dank für dieses kluge Interview.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Mit der gesamten Methodik gibt es 2 Probleme, die nicht ausreichend angesprochen werden.

    1.: Wenn eine kleine Gruppe an Menschen ihre Forderungen über Blockaden der Gesellschaft aufzwingt, werden das auch andere Gruppierungen lernen und diese Methode anwenden.

    "Es braucht schon eine sehr starke moralische Überzeugung, um die Risiken des Ungehorsams in Kauf zu nehmen und sowas auch durchzuziehen."

    Also wird eine Rechtspopulistische Partei keine Blockaden zur Durchsetzung Ihrer Anliegen durchführen können, weil sie keine 100 Personen finden die sich für eine Forderung wie "Max 10.000 Asylbewerber pro Jahr" oder "Illegaler Grenzübertritt = Verbrechen = Kein Asylrecht!" auf die Straße setzen? Wohl kaum !



    Oder was, wenn all die "Spaziergänger" sich künftig auf die Straße setzen und Zivilen Ungehorsam begehen, und damit die Forderungen (Abschaffung Maskenpflicht) durchzusetzen beabsichtigen ? Ist das dann kein ziviler Ungehorsam mehr?

    2. Eine Kleine Gruppe von Menschen zwingt der Gesellschaft ein Gesetz o.ä. auf. Das hat nichts mit Demokratie zu tun. Die genannten Beispiele wie die Frauenbewegung und die Indische Unabhängigkeitsbewegung waren MASSENbewegungen. So wie auch die Friedliche Revolution in der DDR '89. Diese Großdemos sind mit ~100 wiederkehrenden Personen nicht vergleichbar.

    Von Ökoterrorismus zu sprechen ist aber natürlich Unsinn. Terror lebt von Angst. Vor auf der Straße sitzenden Menschen hat man doch eher keine Angst...

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Hallo Holzhirn,

      ich kann die Bedenken sehr gut verstehen.



      Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Forderungen der Letzten Generation auf das Gemeinwohl abziehlen. Der Vergleich mit einer Abschaffung der Maskenpflicht trifft hier meiner Meinung nach nicht ganz zu, da eine Abschaffung der Maskenpflicht das Risiko für eine Coronainfektion erhöhen und somit Menschenleben gefährden würde.

      2. Wie denken sie haben die Frauenbewegungen und Unabhänigkeitsbewegungen damals angefangen? Sicher auch nicht mit mehr als einer Handvoll Menschen die mit der Zeit immer mehr werden. Des Weiteren stehen, mal abgesehen von den Blockaden, doch weitaus mehr Menschen hinter den Forderungen der letzten Generation als nur ein paar 100. Die Letzte Generation fordert, was ein großer Teil der Bevölkerung fordert: Klimagerechtigkeit und entschlossenes Handeln der Bundesregierung.

  • "Besteht nicht die Gefahr, dass trotz gerechtfertigter Forderungen bei Erfolg der Aktionen je­de:r anfängt, für seine individuellen Überzeugungen und Ziele zu solchen Mitteln zu greifen und unsere Infrastruktur kollabiert?

    Es braucht schon eine sehr starke moralische Überzeugung, um die Risiken des Ungehorsams in Kauf zu nehmen und sowas auch durchzuziehen."

    Das würde ich allerdings nicht so leichtfertig abtun. So sind z. B. die Spaziergänge der Querulanten auch nicht erlaubt. Das Potential ist also da.

    • @Encantado:

      Die Teilnahme an einer nicht-genehmigten Demonstration kann mit Geldstrafe oder bis zu 6 Monaten auf Bewährung geahndet werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies bei den "Spaziergängern" angewandt wird.

      • @Kaboom:

        ...weshalb das erwähnte Potential auch - noch - potentiell bleibt.

        Aber den "Spaziergängern" per se implizit starke moralische Überzeugungen abzusprechen, beruhigt zwar das Gewissen, führt jedoch nirgendwohin.

  • Hallo,

    1. Die Überlegungen, ob denn in einer auf Gewaltenteilung beruhenden parlamentarischen Demokratie ziviler Unbehorsam auch in „Nötigung“ oder gar „Erpressung“ umschlagen könne



    oder aber rechtfertigbar werde, wenn man ausreichend feinsinnig argumentiert, wird von den Coronaleugnern über Q-Anon bis zu den 'Reichsbürgern' und der AFD sicherlich aufmerksam und dankbar verfolgt: wem die Gesetzeslage nicht paßt, stellt dann Ultimaten.



    2. Wem wirklich an nachhaltigen Veränderungen gelegen ist, könnte sich jedoch stattdessen mal hier [ 1 ] und hier [ 2 ] anregen lassen.



    3. In dieser Perspektive könnte die Öffentlichkeit dann jene in die Schranken fordern, welche gigantische Summen übrig haben für private Raumfahrt, eine 'Erschließung des Mondes' und eine 'Besiedelung des Mars'.

    [ 1 ] www.dw.com/de/der-...st-weit/a-60828481



    [ 2 ] www.studygreenenergy.eu/

    Kopfschüttelnder Gruß,



    Thomas Dräger, D-67098

    • @Thomas Dräger:

      Der Unterschied zu Coronaleugner, AFD und Q-Anon besteht darin, das die Letzte Generation sich für Ziele einsetzt hinter denen große Teile der Bevölkerung stehen.

  • Ein differenzierender Artikel. Danke

  • Mein vollstes Verständnis und innere Unterstützung.

  • Selbstverständlich liegt hier Erpressung vor.

  • Nach John Locke, einem der Urväter des modernen Liberalismus, ist jegliche Form des Widerstands gegen eine Regierung und eine Regierungsform legitim, welche die Grundrechte des Volkes mißachtet. Da der Klimawandel nachweislich die Selbsterhaltung des Menschen gefährdet gilt also nach Locke (Second Treatise on Government, §149):



    149. Though in a Constituted Commonwealth, standing upon its own Basis, and acting according to its own Nature, that is, acting for the preservation of the Community, there can be but one Supream Power, which is the Legislative, to which all the rest are and must be subordinate, yet the Legislative being only a Fiduciary Power to act for certain ends, there remains still in the People a Supream Power to remove or alter the Legislative, when they find the Legislative act contrary to the trust reposed in them. For all Power given with trust for the attaining an end, being limited by that end, whenever that end is manifestly neglected, or opposed, the trust must necessarily be forfeited, and the Power devolve into the hands of those that gave it, who may place it anew where they shall think best for their safety and security. And thus the Community perpetually retains a Supream Power of saving themselves from the attempts and designs of any Body, even of their Legislators, whenever they shall be so foolish, or so wicked, as to lay and carry on designs against the Liberties and Properties of the Subject.

    • @hessebub:

      Hier vermischen Sie aber wohlwollend zu Ihrer Argumentation einige Begriffe.

  • Für Erpressung i.S.des StGB ist weder



    Wegnahme noch Bereicherungsabsicht



    Voraussetzung, da irrt Herr Celikates



    über die Tatbestandsvoraussetzungen.



    Naja, wenn sich Soziologen über



    Rechtsnormen äußern.

  • Die rechtliche Einschätzung hätte man einem Juristen überlassen sollen. So wird zwar die strafrechtliche Erpressung richtigerweise abgelehnt, die Nötigung wird dagegen in irgendeinen Zusammenhang mit einer Überzeugungsarbeit gebracht. Einen solchen rechtlichen Zusammenhang gibt es nicht.

    Es gibt auch kein Recht auf einen sogenannten "zivilen Ungehorsam". Das wird nicht deutlich genug betont. Ungehorsam sollte immer dann negativ betrachtet werden, wenn demokratisch legitimierte Strafrechtsnormen erfüllt werden. Insoweit kann die Idee und Praxis des Ungehorsams auch nicht als Teil der Demokratie verpflichtet sein.

  • "Ökoterrorismus" ist ein Stichwort des rechtspopulistischen Mainstreams.