Drei Religionen unter einem Dach

In Friedrichshain soll das bundesweit erste interreligiöse Kita-Haus entstehen. Ziel ist eine vorurteilsbewusste Erziehung der Kinder

Silke Radosh-Hinder, Kathrin Janert, Iman Andrea Reimann, Rabbinerin Gesa S. Ederberg vom 3-Religionen-Kita-Haus Foto: Svea Pietschmann

Von Johanna Jürgens

In Friedrichshain-Kreuzberg soll ab 2023 ein 3-Religionen-Kita-Haus mit einer jüdischen, einer christlichen und einer muslimischen Kita entstehen. Vorgesehen sind jeweils 45 Betreuungsplätze. Ab kommenden Jahr wird dafür ein viergeschossige Gebäude auf dem Grundstück der evangelischen St.-Markus-Gemeinde in der Marchlewskistraße gebaut.

„Das ist ein Leuchtturmprojekt“, sagt die Rabbinerin Gesa Ederberg von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Sie ist eine von vier Initiatorinnen, die am Dienstag die Pläne für das Projekt vorgestellt haben: Mit der Leiterin des Deutschen Muslimischen Zentrums, Iman Andrea Reimann, der Pfarrerin Silke Radosh-Hinder und Kathrin Janert, der Vorständin des Evangelischen Kirchenkreisverbandes für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord arbeitet sie seit mehreren Jahren an dem Vorhaben.

Ziel des Modellprojekts sei eine vorurteilsbewusste Erziehung, die den Austausch fördert und Missverständnisse beseitigt. „Kindern fehlt häufig die Sprachfähigkeit im interreligiösen Dialog, nicht das Interesse“, sagt Reimann. Als Ort des Lernens und des Zusammenkommens solle das Kita-Haus also die Fragen der Kinder beantworten. Ziel sei es, dass die Kinder, Familien und Er­zie­he­r*in­nen ihren Alltag gemeinsam gestalten, sagt Ederberg.

Trotzdem soll es sich um drei auch räumlich voneinander getrennte Tagesstätten handeln. Eine einzige große gemeinsame Kita, so die Befürchtung der Initiatorinnen, könnte zu ungleichen Verhältnissen führen: „So stellen wir sicher, dass alle drei Religionen paritätisch vertreten sind“, erklärt die Rabbinerin Ederberg. Jede Kita soll ihr eigenes religiöses Jahr leben können und außerdem genug Zeit für die Lernförderung haben. In der jüdischen Kita gehört zum Beispiel der Erwerb der hebräischen Sprache zu den selbst gesteckten Bildungszielen.

Die Initiatorinnen blicken auf eine lange Planungszeit zurück: „Die erste Idee zu einem 3-Religionen-Kita-Haus entstand bereits Ende 2014 bei einem Treffen des Berliner Forums der Religionen“, erzählt Ederberg. Die Standortsuche habe dann aber einige Jahre in Anspruch genommen. Ein Grundstück haben sie nun gefunden: Für den Standort zwischen Karl-Marx-Allee, Ostbahnhof und Warschauer Straße hat das Berliner Architekturbüro Stark&Stilb am Dienstag seinen Entwurf vorgestellt.

Der Entwurf sieht jeweils eine Etage für die drei Kitas sowie eine gemeinsame Begegnungsfläche vor. Außerdem soll es eine Bibliothek und Seminarräume, eine vegetarische Vollküche und einen „Raum der Stille“ für Gebete geben. Das Sicherheitskonzept steht noch nicht fest: Auch Sicherheitsschleusen, wie es sie häufig in jüdischen Einrichtungen gibt, seien eine Option, heißt es.

Problematisch bleibt die Finanzierung: Die kalkulierten Baukosten betragen 7 Millionen Euro, die Fördermittel über das Kita-Ausbauprogramm werden zur vollständigen Finanzierung nicht reichen. „Am Ende bleibt ein Delta von 1,4 Millionen Euro“, sagt Janert. Sie seien aber schon mit der Politik im Gespräch.

Es gibt drei Räume, jede Kita soll ihr eigenes religiöses Jahr leben können

Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag heißt es außerdem, man wolle „die Unterstützung für Projekte der religionsübergreifenden Verständigung wie den christlich-jüdischen Dialog sowie das „House of One“ und eben die „3-Religionen-Kita“ auf Landes- und Bezirksebene fortführen.

Auch wenn das Kita-Haus gezielt christliche, jüdische und muslimische Familien anspricht, soll sich jeder für einen Platz bewerben dürfen: „Alle Eltern sind willkommen, die anderen Religionen vorurteilsfrei begegnen und Lust auf das Projekt haben“, heißt es von den Initiatorinnen.

Aber spricht man so nicht nur die Familien an, die ohnehin schon liberaler sind? „Wir wollen erst mal mit denen anfangen, die dem Projekt positiv gegenüberstehen“, sagen die Kita-Gründerinnen. Das werde kompliziert genug: „Auch wer sich für liberal hält, begegnet immer wieder eigenen Vorurteilen.“ Die Bauzeit soll eineinhalb Jahre betragen, man rechne mit einer Eröffnung im Jahr 2024, hieß es.