Skandal um Spionage-Software: Pegasus erreicht Polen
Auch Polen hat offenbar die Späh-Software Pegasus gegen Regierungskritiker*innen eingesetzt. Die PiS versucht, den Skandal herunterzuspielen.
Zwei Jahre später sei auch das Handy der Staatsanwältin Ewa Wrzosek mehrfach mit Pegasus abgehört worden. Dies meldete am Montag die amerikanische Presseagentur AP, die sich wiederum auf die Forschungsgruppe Citizen Lab der kanadischen Universität Toronto berief. Die Gruppe deckt weltweit unrechtmäßige Abhörattacken auf zivilgesellschaftliche Akteure auf. Die polnische Regierung wies die Vorwürfe zurück.
Wrzosek und Giertych kritisieren regelmäßig die sogenannten Justizreformen der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit Ende 2015 mit absoluter Mehrheit in Polen regiert. Offiziell sollen Richter und Staatsanwälte, die noch in der Zeit des Kommunismus vor 1989 ernannt wurden, durch die Reformen aus dem heutigen Justizapparat gedrängt werden.
In Wirklichkeit geht es darum, möglichst viele Posten mit PiS-loyalen Richtern und Staatsanwälten zu besetzen, die dann auch PiS-freundliche Urteile fällen oder Ermittlungen gegen Verdächtige aus der PiS-Anhängerschaft erst gar nicht aufnehmen. 2019 – in der Zeit der Parlamentswahlen – waren die umstrittenen Rechtsreformen der PiS ein heißes Thema.
Polen auf der schwarzen Liste des Pegasus-Herstellers
Giertych traf sich damals mit vielen Oppositionspolitikern und beriet sie in genau diesen Rechtsfragen. Obwohl Citizen Lab darauf hinweist, dass Pegasus keinen Rückschluss erlaubt, wer genau ein Handy mit der Abhörsoftware infiziert und dann abhört, ist der Kreis der in Frage kommenden Institutionen nicht allzu groß. Denn der israelische Produzent NSO Group verkauft die Software nur mit Genehmigung der Regierung Israels und in Lizenz an andere Staaten.
Das Staatstrojaner-Programm soll es ermöglichen, Terroristen und Schwerstkriminelle aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Doch es kommt auch immer wieder zu Missbrauch: Geheimdienste setzen das Abhörprogramm auch gegen Oppositionelle und missliebige Journalist:innen ein. Seit September 2021 steht auch Polen auf der schwarzen Liste der NSO Group. Die Firma führt seither keine Updates und Serviceleistungen mehr durch.
Giertych, der offensichtlich auf Anweisung der Staatsanwaltschaft abgehört wurde, die seiner Anwaltskanzlei offiziell vorwirft, einen Mandanten übervorteilt und eine zu hohe Honorarrechnung ausgestellt zu haben, hält es für aussichtslos, bei eben dieser Staatsanwaltschaft Klage gegen den Bruch des Anwaltsgeheimnisses einzureichen.
„Ich hatte dieses Telefon die ganze Zeit bei mir – auf der Arbeit, im Schlafzimmer, während der Beichte. Das Gefühl fehlender Sicherheit wird mich wohl nie mehr verlassen“, so Giertych im Interview mit der Gazeta Wyborcza. Da sein Handy auch zweimal in Italien mit Pegasus infiziert wurde, zudem ohne sein Wissen das Handy-Mikrophon angestellt wurde, will er in Rom Strafanzeige stellen. „Es handelt sich hier um Auslandsspionage, denn nicht nur ich, sondern auch meine italienischen Gesprächspartner wurden abgehört“, erklärte Giertych im privaten Fernsehsender TVN24.
Kontrolle von Polizei und Geheimdiensten
Die Stiftung Panoptykon informierte kurz darauf, dass es sich bei den jetzt bekannt gewordenen Fällen nur um die Spitze des Eisbergs handle, da allein schon die polnische Polizei im Jahr 2019 über 8.060 Personen habe abhören lassen. Die Gerichte würden die Anträge meist durchwinken. Nur in 16 Prozent aller Fälle konnten durch das Abhören der Telefongespräche Beweise für einen Strafprozess sichergestellt werden, so Panoptykon. Was fehle, sei eine nachhaltige Kontrolle von Polizei und Geheimdiensten.
Während PiS-Politiker versuchen, den Geheimdienstskandal zu bagatellisieren, und behaupten, dass „irgendeine Firma in Kanada irrelevante Vorwürfe“ erhebe, fordert Tomasz Grodzki, der Vorsitzende des Oberhauses im polnischen Parlaments, die Regierung Polens zum Rücktritt auf. Bei der Watergate-Affäre habe der US-amerikanische Präsident Richard Nixon, der davon gewusst habe, dass seine Konkurrenten von der Demokratischen Partei illegal abhört wurden, auch mit dem Rücktritt bezahlt.
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