Überwachung mit und ohne Pegasus: Willkommen im Panopticon
Nicht zuletzt die Enthüllungen über die Spähsoftware zeigen, dass wir jederzeit unter Beobachtung stehen könnten. Massenüberwachung macht befangen.
E s schockiert niemanden mehr wirklich. Die Liste der weltweit mit der Pegasus-Spyware Ausspionierten wird immer länger: Wie diese Woche bekannt wurde, soll die spanische Regierung mindestens 65 katalanische Politiker überwacht haben. Auch demokratische Regierungen spionieren mitnichten nur Terroristen aus. Skandalös daran ist einzig noch, wie selten solche Meldungen Skandale auslösen.
Wie die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt haben, muss jeder jederzeit damit rechnen, beobachtet zu werden. Die kleinlaute Reaktion der damaligen Bundesregierung gegen ihre eigene Überwachung – und die der Bürger dieses Landes – durch die NSA signalisierte ihre Unfähigkeit, irgendetwas zu tun, also ihr Einverständnis. Es wäre naiv, Konsequenzen von denen zu fordern, die offenbar kein grundsätzliches Problem mit Massenüberwachung haben.
Wo aber Kritik an politischen Akteuren zu kurz greift, bedarf es tiefer gehender Gesellschaftskritik. Die übte beispielsweise der Philosoph Michel Foucault mit seiner Theorie des Panopticon. Ursprünglich ein Bauplan des Utilitaristen Jeremy Bentham für Gefängnisse und Fabriken, ermöglicht das Panopticon die gleichzeitige Überwachung aller Insassen, ohne dass umgekehrt die Überwacher sichtbar sind. Die Insassen müssen sich so jederzeit auf die Möglichkeit der Überwachung einstellen.
Die vielfältigen Formen menschlichen Ausdrucks reduzieren sich unter Beobachtung drastisch. Wer würde schon in aller Öffentlichkeit so singen wie unter der Dusche oder so offen sprechen wie im vertrauten Bekanntenkreis. Für Foucault steht das Panopticon paradigmatisch für die Disziplinierung in modernen Gesellschaften: Überwachung ist rationaler und effektiver als rohe Gewalt.
Die relativierende Beschwichtigung, dass nur, wer etwas zu verbergen hat, etwas zu befürchten hat, ist unwahr. Niemand, der so redet, würde freiwillig seine Passwörter oder Schlüssel aushändigen. Auch wer langweilig und konformistisch genug ist, verzichtet auf die Freiheit, es sich anders zu überlegen.
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