Netflix-Serie „Kitz“: Rachsüchtig in Tirol

Einen Vergeltungsplot zwischen schönen jungen Menschen im Skiparadies erzählt die Serie „Kitz“. An Komplexität fehlt es, dafür stimmt das Tempo.

Szene: Fünf Personen, ineinander verhakt, treiben auf einer Wasseroberfläche

Ein Racheplan, der fünf junge Menschen miteinander verbindet Foto: Walter Wehner

Es ist ein ganz besonderer Culture Clash, der sich Jahr für Jahr in Kitzbühel ereignet. Kaum beginnt die Wintersaison, ist es aus mit der Ruhe in dem Tiroler Örtchen mit seinen nicht einmal 10.000 Ein­woh­ne­r*in­nen. Denn zu Hunderttausenden fallen dann die Tou­ris­t*in­nen ein. Auf die Einheimischen, die zum Teil noch von der Landwirtschaft leben, soweit sie nicht ihre Wiesen für den Bau von Luxushotels verkauft haben, trifft so die Schickeria aus München und Co, die sich nicht nur beim Après-Ski benimmt, als seien die Alpen ihr privater Vorgarten – die aber eben auch das Geld in die Kassen der Gemeinde spült. Eine toxische Beziehung, wie man sie sich besser nicht ausdenken könnte.

Auch die neue Netflix-Serie „Kitz“ (zu sehen ab dem 30. 12.) erzählt nun im Kern von diesem Konflikt, obgleich sozioökonomische Details für die Geschichte zugegeben nur am Rande von Interesse sind. Ebenso wenig werden der Skitourismus und seine ökologischen Folgen verhandelt. Stattdessen dient das jährliche Aufeinanderprallen zweier gegensätzlicher Welten als Basis für eine Rachegeschichte unter schönen jungen Menschen. Dieser Plot nimmt damit seinen Anfang, dass ein unglücklich verliebter Bursche bei einem Autounfall sein Leben verliert.

Ein Jahr, nachdem das hoffnungsvolle Skitalent Joseph (Felix Mayr) also auf dem nächtlichen Nachhauseweg tödlich verunglückt ist, kehrt die arrogante Münchener Influencerin Vanessa (Valerie Huber) nach Kitzbühel zurück. Mit Vanessa verband Joseph vor dessen Tod ein heimliches Verhältnis. Josephs 19-jährige Schwester Lisi (Sofie Eifertinger) gibt Vanessa deswegen die Schuld an seinem Tod – und nicht nur daran, sondern Lisi macht Vanessa auch dafür verantwortlich, dass sie selbst im Nachgang auf ihr Modestipendium in London verzichtet hat und nun stattdessen weiterhin bei den trauernden Eltern wohnt und als Kellnerin jobbt.

Gemeinsam mit ihrem schwulen Kumpel Hans (Ben Felipe) will Lisi sich deshalb an Vanessa rächen. Doch der Plan, der damit beginnt, dass Lisi auf Vanessas dekadenter Geburtstagsfeier kellnert und sich langsam ihr Vertrauen erschleichen will, verkompliziert sich. Nicht zuletzt, als es zwischen ihr und Vanessas Freund Dominik (Bless Amada) knistert und sich Hans’ neuer Schwarm (Zoran Pingel), der anfangs nur ein anonymes Sexdate war, als Hotelerbe und Teil der Schnösel-Clique erweist. Obendrein kommt dazu, dass Lisi plötzlich Seiten an der vermeintlich so grundverschiedenen Altersgenossin aus der Großstadt entdeckt, mit denen sie nicht gerechnet hatte.

Seifenoper und Thriller

Ein Sozialdrama ist „Kitz“ also nicht. Aber auch von der biederen Trutschigkeit einer gerade nach 20 Jahren ausgelaufenen Krimireihe „SOKO Kitzbühel“ kann hier keine Rede sein. Stattdessen setzen Netflix und der Showrunner und Hauptautor Nikolaus Schulz-Dornburg (der auch schon an „Biohackers“ oder „4 Blocks“ mitschrieb) auf Hochglanzentertainment für eine junge Zielgruppe. Eine, die sich ansonsten womöglich für Serien wie „Gossip Girl“, „Elite“, „Riverdale“ und „Outer Banks“ begeistert.

Sonderlich tief geschürft wird in den sechs Episoden dabei nun nicht, weder was Klassenunterschiede angeht noch das Thema Trauerarbeit oder die Selbstfindung in der Generation Z. Man könnte den Vergleich ziehen mit Jakob M. Erwas im Tonfall durchaus ähnlicher Serie „Katakomben“ von vor einigen Monaten. Die war eine ganze Ecke komplexer, daran ändert die Tatsache nichts, dass der Writers’ Room von „Kitz“ Verweise an Vivienne Westwood und Peter Handke unterbringt.

Allerdings muss man sagen, dass das unverbrauchte Ensemble, dem prominente Ne­ben­dar­stel­le­r*in­nen wie Florence Kasumba, Nadeshda Bren­nicke, Andreas Pietschmann oder Tyron Ricketts angehören, als schmückendes Beiwerk an die Seite gestellt, nicht nur ungemein attraktiv ist, sondern sich auch schauspielerisch wacker schlägt. Allemal für Kurzweil sorgt diese glitzernde Mischung aus Seifenoper und Thriller – zumal für die Instagram-Generation. Und das trotz vorhersehbarer Vergeltungs- und Liebesverstrickungen, nämlich dank des knackigen Tempos.

„Kitz“, sechs Folgen, auf Netflix

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.